Süße Herzensbrecherin
Verehrer in Ihrem Leben?“
„Natürlich nicht. Ich bin … wählerisch.“
„Was heißt ‚natürlich nicht‘?“ Selbst in der Beinahedunkelheit, die in der Kutsche herrschte, glitzerten seine Augen geradezu teuflisch. „Eine liebreizende junge Dame wie Sie sollte umgeben sein von Anbetern.“
Cassandra war heilfroh, dass er nicht sehen konnte, wie sie errötete. „Ich habe meine Arbeit im Institut, und die ist mir sehr wichtig. Nichts und niemand wird mich daran hindern, sie auszuüben.“
„Nicht einmal die Liebe?“, fragte William sanft.
„Nein.“
„Fürchten Sie sich vor der Liebe, Miss Greenwood?“
„Wieso sollte ich?“
„Ich glaube, Sie tun es.“
„Glauben Sie, was Sie wollen. Ich sage die Wahrheit“, erwiderte Cassandra nachdrücklich.
„Wenn Sie sich nicht vor der Liebe fürchten – weshalb verstecken Sie sich dann hinter Ihren Kindern im Institut?“
„Ich verstecke mich nicht“, protestierte sie, „und es sind nicht meine Kinder. Und das Institut gehört mir nicht.“
„Sie machen Ausflüchte, Miss Greenwood. Ich vermute, dass Sie sich am liebsten in Luft auflösen würden, wenn Sie nicht gezwungen wären, sich wegen Ihres kostbaren Instituts unter die Wohlhabenden zu mischen.“ Er musste lächeln, als er ihr indigniertes Schnauben hörte. „Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Ihnen zu nahe trete – obwohl meine Worte nicht unhöflicher sind als Ihre gestern Abend. Sie müssen aber zugeben, dass ich nicht ganz unrecht habe.“
„Ob Sie unrecht haben oder nicht, spielt keine Rolle, denn ich würde es ohnehin niemals zugeben. Ich fürchte mich nicht vor der Liebe. Es ist nur so, dass ich keine Erfahrungen mit Tändeleien habe, wie Sie sie bevorzugen – und gegenwärtig bin ich auch nicht daran interessiert.“ Für einen kurzen Moment schwieg sie und fragte dann argwöhnisch: „Sie haben doch nicht etwa ernsthaft vor, mich zu verführen, Captain?“
„Würden Sie es mir gestatten, Sie zu verführen, Miss Greenwood?“
Unwillig reckte sie das Kinn vor. „Machen Sie sich nicht über mich lustig.“
„Das würde mir im Traum nicht einfallen. Ich bewundere Sie viel zu sehr.“
Sie seufzte unhörbar. Wie konnte sie ihm böse sein, wenn er so charmant war? Zu ihrem Verdruss musste sie schmunzeln. „Sie sind ein ausgemachter Spitzbube, Captain Lampard, arrogant, selbstgerecht und anmaßend obendrein.“
Er lachte auf. „Das bin ich zugegebenermaßen. Was ich brauche, ist eine liebenswerte, geduldige und tolerante Frau, die mich an die Hand nimmt, mir die Fehler meines Verhaltens aufzeigt und mich eines Besseren belehrt.“
„Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer Suche, denn Intoleranz und Ungeduld gehören zu meinen Charakterschwächen, seit ich denken kann. Doch es muss irgendwo auf dieser Welt ein weibliches Wesen geben, das auf einen wortgewandten Tunichtgut wie Sie hereinfällt und all die Mühe und Anstrengung auf sich nimmt, die es kostet, jemanden wie Sie zu läutern.“
„Eine Frau, die es mit mir aufnimmt, wird sich niemals langweilen, das kann ich Ihnen versichern.“
Cassandra erwiderte nichts darauf. Sie löste die Schleife unter ihrem Kinn und nahm die Schute vom Kopf, um sie neben sich auf die Bank zu legen. „Sie schätzen sich, mit Verlaub gesagt, zu hoch ein, Captain“, antwortete sie dann gelassen. „Und jetzt, wenn Sie nichts dagegen haben, versuche ich, ein wenig zu schlafen.“
Sie lehnte ihren Kopf gegen die Polster und schloss die Augen, doch ihre Gedanken überschlugen sich. Hatte sie zu bereitwillig geglaubt, was man sich über ihn erzählte? Hegte sie womöglich Vorurteile gegen ihn? Er besaß etwas Charismatisches, aber das war nicht verwerflich. Seine nonchalante und unbeschwerte Art täuschte sie nicht mehr darüber hinweg, dass sie es mit einem Menschen mit tiefgründigen Gedanken zu tun hatte, auch wenn die Art, wie er sie manchmal ansah, darauf hinwies, dass er über mehr als hinlängliche Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht verfügte. Alles in allem war William Lampard eine faszinierende Persönlichkeit, und das ängstigte sie. Um sich Mut zuzusprechen, sagte Cassandra sich, dass er ihr nichts bedeute, dass er nur einer von vielen attraktiven Männern war, den der Zufall dazu ausersehen hatte, ihr in einer Familienkrise beizustehen. Und sobald die Unannehmlichkeiten, die Emma und Edward ihnen bescherten, überstanden waren, würde der Umgang mit Lord Carlow ohnehin ein Ende haben.
Das leichte Schaukeln der Kutsche
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