Süße Herzensbrecherin
und die angenehme Wärme machten sie müde, und schließlich schlief Cassandra ein. Die Nacht war ruhig und friedlich, nur der Hufschlag und das Rumpeln der Kutschenräder durchbrachen die Stille.
William überkreuzte seine langen Beine und betrachtete seine schlafende Begleiterin. Was für ein zauberhaftes Geschöpf sie war. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und ihre langen, dichten Wimpern warfen dunkle Schatten auf ihre Wangen. Sein Blick fiel auf ihren Busen, der sich im Rhythmus ihrer Atemzüge hob und senkte, und unweigerlich drängte sich ihm der Gedanke auf, wie ihre Haut sich unter all dem Stoff ihres Reisekostüms anfühlen mochte.
Sobald er an sie dachte, spürte er einen süßen Schmerz in der Herzgegend. Was zur Hölle ist los mit mir?, fragte er sich beunruhigt. Wenn er nicht achtgab, bedeutete sie ihm im Handumdrehen mehr, als ihm lieb sein konnte, und für tiefere Gefühle war er noch nicht bereit. Bei Miss Greenwood hatte er es ohne Zweifel mit einer ungewöhnlichen Frau zu tun – sie war intelligent, eigenwillig und steckte voller Überraschungen –, aber gleichzeitig war sie der Inbegriff der Starrköpfigkeit, und ihr Temperament hatte nichts Gekünsteltes an sich. Sie war so ganz anders als die raffinierten, welterfahrenen Frauenzimmer, mit denen er bisher das Bett geteilt hatte.
Nein, Miss Greenwood war wirklich anders. Sie verhielt sich wahrhaftig und glaubwürdig. Er ahnte eine Güte in ihr, eine Besonderheit, die ihn reizte, näher hinzusehen. Und es schlummerte etwas in ihr, dessen sie sich nicht einmal bewusst zu sein schien: Leidenschaft. Was mochte geschehen, wenn jemand Cassandras Leidenschaft weckte? Im Schlaf wirkte sie unschuldig wie ein Kind. Diese verletzliche Seite an ihr faszinierte ihn, wie er zugeben musste, und er rückte ein wenig vom Fenster fort, um ihr Profil eingehender zu studieren. Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Mit ihr allein zu sein bereitete ihm von Minute zu Minute größeres Vergnügen.
4. KAPITEL
Als Cassandra die Augen aufschlug, zeigte sich die erste Morgenröte am Horizont. Sie streckte die verspannten Beine aus und verdeckte mit dem Handrücken ein Gähnen. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Reisegefährte seinen Platz gewechselt hatte. Er saß neben ihr und sah sie ebenso aufmerksam an wie in der Nacht, bevor sie eingeschlafen war. Allerdings hatte er sich den Mantel ausgezogen und den Knoten seines Krawattentuchs gelockert. Sie hoffte inständig, dass er nicht schon seit Stunden neben ihr saß und sie beobachtete. Verlegen verbannte sie eine widerspenstige Locke hinter ihr Ohr.
„Fühlen Sie sich ausgeruht? Sie haben tief und fest geschlafen.“
Cassandra zuckte unmerklich zusammen, als Lord Carlows tiefe Stimme an ihre Ohren drang. „Ja. Wo sind wir?“
„In Cambridgeshire.“
Sie seufzte und schickte sich an, von ihm abzurücken, doch er legte lächelnd seinen Arm um ihre Schultern und zog sie wieder zu sich heran, als sei seine vertrauliche Geste selbstverständlich.
„Was tun Sie da?“, wollte sie erschrocken wissen und versuchte sich vergeblich aus seiner Umarmung zu befreien. „Sitzen Sie schon die ganze Nacht neben mir?“
Er nickte und gab sich empörend entspannt. „Ich hatte den Eindruck, dass Sie unbequem ruhen, und zudem rollte Ihr Kopf bei jeder Bewegung der Kutsche hin und her. Ihre Züge entspannten sich zusehends, als ich mir erlaubte, mich neben Sie zu setzen und meine Schulter als Stütze anzubieten.“
Cassandras Wangen färbten sich dunkelrot, teils aus Entrüstung, teils aus Verlegenheit. „Oh, Sie sind wirklich unausstehlich. Wie können Sie es wagen, sich solche Freiheiten zu erlauben, während ich schlafe? Bitte nehmen Sie Ihren Arm von meiner Schulter, und gestatten Sie mir, mich richtig hinzusetzen. Ich kann es nicht leiden, so behandelt zu werden.“
William lächelte leicht, ohne ihrem Wunsch zu entsprechen. „Warum sind Sie so stur?“, fragte er und hob ihr Kinn mit einem Finger an, um ihr tief in die Augen zu sehen. „Wenn eine Frau gewillt ist, sich uneskortiert in meine Gesellschaft zu begeben, muss sie mit gewissen Konsequenzen rechnen, und ich habe beschlossen, einen anderen Weg durch das Dickicht unserer Meinungsverschiedenheiten zu wählen.“ Sein Blick hielt ihren unerbittlich fest, als er fortfuhr: „Es ist an der Zeit, dass ich Sie auf geeignetere Weise zu überzeugen versuche.“
„Überzeugen?“, wiederholte sie schwach, während sie spürte, wie eine ihr unbekannte Hitze in ihr
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