Süße Herzensbrecherin
Blick wanderte zur verschlossenen Tür des Privatsalons.
„Soll ich ihn aufsuchen und ihm berichten, wie es Emma geht?“
„Nein“, erwiderte William kurz angebunden. „Vergessen Sie ihn. Unsere Hauptsorge sollte sein, Ihre Schwester in die Kutsche zu befördern und so rasch wie möglich nach London zu bringen.“
„Werden … werden Sie in ein paar Minuten nach oben kommen? Emma ist zu schwach, um die Treppe hinunterzusteigen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir helfen würden.“
William nickte ernst, machte auf dem Absatz kehrt und ging in die Schankstube.
Cassandra hatte es gerade geschafft, Emma in den Mantel zu helfen, als es an der Tür klopfte. Sie rief „Herein“, registrierte aus den Augenwinkeln, dass William das Zimmer betrat, und versuchte ihre Schwester zu stützen, die auf der Bettkante saß und immer wieder in sich zusammensank.
Cassandra warf William einen flehenden Blick zu. „Wir sind fast fertig.“
Emma versuchte sich zu erheben, fiel jedoch umgehend auf das Bett zurück. Alles Leben schien aus ihr gewichen, teilnahmslos saß sie da und ließ die Anstrengungen, die der Aufbruch mit sich brachte, wie eine Marionette über sich ergehen.
„Lassen Sie mich Ihnen helfen.“ Ohne zu zögern, trat William zu der Kranken und hob sie geschwind und ohne Mühe auf seine Arme. „Nehmen Sie ihre Sachen mit, Cassandra. Ich werde Ihre Schwester zur Kutsche tragen.“
Rasch sammelte Cassandra Emmas wenige Habseligkeiten ein und folgte William aus dem Wirtshaus hinaus auf den Hof.
Nachdem er Emma in der Kutsche untergebracht hatte, drehte William sich zu Cassandra um. „Ihre Schwester dürfte sich mit ein paar mehr Kissen um sich herum wohler und bequemer fühlen während der langen Fahrt. Ich würde Ihnen empfehlen, sich neben sie zu setzen, damit sie nicht von der Bank rutscht. Es ist zwar warm heute, aber es wäre gut, wenn Sie sie in Decken wickeln würden. Haben Sie ihre Sachen?“
„Ja, ich denke, ich habe alles. Und ich hoffe inständig, dass sie die Fahrt nicht allzu sehr mitnimmt. Wir haben einen langen Weg zu bewältigen.“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn es irgend möglich ist, werden wir die Pferde nicht wechseln, und Emma wird in der kürzesten Zeit in ihrem Bett liegen.“
Im Begriff, in die Kutsche zu steigen, zögerte Cassandra, als ihr Blick auf Edward fiel. Der junge Mann stand nahe dem Eingang des Wirtshauses und beobachtete, wie sie sich abfahrbereit machten. Seine Brust hob und senkte sich im Rhythmus seiner hektischen Atemzüge. Sein aschgraues Gesicht war eine einzige traurige Maske, und der Ausdruck in seinen Augen sowie seine hängenden Schultern zeugten davon, wie niedergeschlagen er war. Als sich ihre Blicke trafen, wandte Edward sich ab und ging zu der Chaise, mit der er und Emma gekommen waren.
William wartete, bis Cassandra in seinen Vierspänner gestiegen war, Emma eine Wolldecke um die Beine gewickelt und sich neben sie gesetzt hatte. „Wird es so gehen?“, fragte er besorgt. Cassandra sah ihn an und nickte. Seine Miene verriet, dass er fest entschlossen war, ihr waghalsiges Unterfangen zu einem glücklichen Ende zu bringen. „Braves Mädchen. Klopfen Sie gegen das Dach, wenn Sie anhalten müssen. Wir werden knapp hinter Ihnen sein.“
Der Kutscher schwang die Peitsche, und der Vierspänner fuhr los, holperte auf die Hauptstraße und überholte eine Reihe von Fuhrwerken, die sich in gemächlicherem Tempo fortbewegten. Cassandra legte ihrer Schwester den Arm um die Schultern, um sie zu stützen.
Mit wachsender Sorge beobachtete sie, dass Emma im Fieber zusammenhanglos zu reden begann, aus Überanstrengung aber bald wieder verstummte, ihr Kopf zur Seite fiel und sie fürchterlich zu zittern begann. In der Gewissheit, dass der Zustand ihrer Schwester sich verschlechterte, hüllte Cassandra Emma in eine weitere Decke. Sie mahnte sich insgeheim, Ruhe zu bewahren und tapfer die Fahrt durchzustehen, doch ihre Sorge wuchs sich binnen Kurzem zu schierer Angst um Emmas Leben aus, und sie schlug heftig gegen das Kutschendach und befahl dem Kutscher anzuhalten. Kaum dass der Vierspänner zum Stehen kam, sprang einer der Stallburschen vom Dienertritt und klappte den Tritt für Cassandra aus. In diesem Moment hielt hinter ihnen Williams Chaise.
Ehe Cassandra es sich versah, stand William am geöffneten Kutschenschlag, ergriff ihre Hand und zog sie zu sich, um sie mit sorgenvoller Miene anzusehen. „Was ist geschehen?“
„Emma geht es schlechter.
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