Süße Herzensbrecherin
bewundernswerte Charaktereigenschaften, doch Verschwiegenheit gehörte nicht dazu.
„Es steht zu bezweifeln, dass sie in der kurzen Zeit zärtliche Gefühle für dich entwickeln wird, daher empfehle ich dir, dass du so zügig wie möglich nach London zurückkehrst“, fuhr Charles überheblich fort. „Andernfalls wird das prachtvolle Tier in deinem Stall zweifellos mir gehören. Aber ehrlich gesagt, ich gehe ohnehin davon aus, dass es so kommt. Du magst den Ruf von mehr stolzen jungen Damen zerstört haben, als du zählen kannst, doch wie ich dir bereits sagte, Miss Greenwood ist aus anderem Holz geschnitzt.“
„Frauen verlieben sich in die unmöglichsten Männer, Charles“, erwiderte William gedehnt und setzte eine gleichmütige Miene auf, um zu verbergen, dass Charles’ Anwesenheit ihn von Minute zu Minute mehr entnervte.
„Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, aber in diesem Fall wirst du scheitern, mein Lieber – es sei denn, du hättest eine Strategie entwickelt. Wenn das so ist, dann sei ein guter Junge, und schenke mir einen Brandy ein. Und eine Zigarre wäre auch nicht unangebracht, wenn ich deinen diesbezüglichen Ausführungen lauschen soll – und das tue ich mit dem größten Interesse, doch das muss ich dir vermutlich nicht eigens versichern.“
6. KAPITEL
Eine Wette! Ein Pferd!
Wie vom Donner gerührt ließ Cassandra die Hand sinken, die sie erhoben hatte, um leicht gegen die nur angelehnte Bibliothekstür zu klopfen. Ihr Kopf war wie leer gefegt, sie wusste nicht einmal mehr genau, aus welchem Grund es ihr so wichtig gewesen war, William zu sehen. Hatte sie ihm tatsächlich in sein attraktives Gesicht blicken wollen, um sich zu vergewissern, dass das, was sich gestern Abend zwischen ihnen abgespielt hatte, kein Traum war?
Die Unterhaltung, die sie soeben unwillentlich belauscht hatte, hing in der Luft wie ein übler Geruch. Niemals zuvor hatte ein Mensch sie so beleidigt, war ihr Stolz derart verletzt worden wie durch das Arrangement dieser zwei Gentlemen. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, trat Cassandra von der Bibliothekstür zurück und wandte sich zur Treppe um. Sie wollte nur noch in ihr Zimmer, und als sie zu begreifen begann, was dieses Gespräch für sie bedeutete, konnte sie die Stufen gar nicht schnell genug hinaufeilen. Wut, Scham und Trauer tobten in ihr, und es gab keine Erklärung und erst recht keine Entschuldigung für Williams Verhalten.
Dieser gemeine Schuft! Dieser wollüstige Schürzenjäger, der nicht einmal davor zurückschrecken würde, eine Nonne im Kloster zu verführen, wenn ihm danach zumute war. Und sie, Cassandra Greenwood, hatte tatsächlich begonnen, ihm zu vertrauen, ihn zu respektieren und zu glauben, dass ihm sein schmählicher Ruf zu Unrecht anhing. Fast hatte sie angenommen, dass nicht einmal ein Fünkchen Wahrheit in dem lag, was man sich über ihn erzählte. Und nun lagen ihre zärtlichen Gefühle in Trümmern.
William Lampard war ein herzloses Ungeheuer, und sie konnte nicht glauben, dass sie, die vernünftige und geschei te Cassandra Greenwood, es zugelassen hatte, dass er sie küsste. Und Schande über Schande – sie hatte ihn schamlos wiedergeküsst! Wie unfassbar töricht ich war, schalt sie sich. Wie sträflich leichtgläubig und naiv.
Ein Pferd, um Himmels willen! Das war mehr, als ihr ohnehin angeschlagener Stolz aushalten konnte. Vor Wut und Scham brannten ihr die Wangen. Wie unsagbar erniedrigend! Nicht auszudenken, was aus ihrem Leben geworden wäre, wenn er sein Ziel erreicht hätte – aller Welt wäre bekannt geworden, dass sie eine Liaison mit dem stadtbekannten Frauenhelden William Lampard eingegangen war, der sich ihr einzig einer billigen Wette wegen genähert hatte. Die Entdeckung seiner Täuschung war niederschmetternd. Nie wieder würde sie ihm vertrauen, niemals wieder. Wie konnte sie auch? Er würde niemals wiedergutmachen können, was er ihr angetan hatte.
Und sie würde es niemals vergessen, das schwor sie sich. Sie würde sich immer daran erinnern, damit sie William Lampard, Earl of Carlow, nicht noch einmal auf den Leim ging. Und sie würde es ihm heimzahlen – jawohl, ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, und er würde es nicht einmal merken, bis es zu spät war. Nein. Cassandra schüttelte den Kopf. So war sie nicht, und ihre Zeit war zu kostbar, um sie für eine so törichte Angelegenheit wie Rache zu vergeuden.
Als sie in ihrem Zimmer ankam, stellte sie überrascht fest, dass der
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