Süße Herzensbrecherin
Schmerz, der ihr das Herz zusammengezogen hatte, eisiger Betäubung gewichen war. Sie straffte sich und entschied, William über das, was sie gehört hatte, in Unkenntnis zu lassen. Dass sie von der Wette wusste, bedeutete einen Vorteil für sie, und sie war fest entschlossen, ihn zu nutzen.
Unverzüglich begann sie zu überlegen, wie sie Lord Carlows schäbigen Plan durchkreuzen konnte. Sie war stark und unverwüstlich, und sie würde über diese herbe Enttäuschung hinwegkommen. Sie würden Carlow Park verlassen, sobald Clem vor Ort war.
Unterdessen schenkte William sich und seinem Gast einen Brandy ein. Er reichte Sir Charles ein Glas und hob das seine, um dem Freund zuzuprosten.
„Du kannst das Pferd haben.“
Sir Charles sah ihn verdattert an, dann erschien ein ungläubiges Lächeln auf seinem Gesicht. „Und was ist mit der Wette? Gütiger Gott! Habe ich richtig gehört? Du musst den Verstand verloren haben.“
„Ich war nie zurechnungsfähiger als in diesem Augenblick.“
„Ich darf also annehmen, dass du anderen Sinnes geworden bist und davon absehen willst, Miss Greenwood zu verführen? Dass du so rasch aufgibst, hätte ich nicht gedacht.“
„So ist es aber.“
„Dann bist du der sonderbarste Wettpartner, gegen den ich je angetreten bin.“ Sir Charles sah ihn nachdenklich an, als ahne er, dass hier etwas Wichtiges im Gange war, von dem er nichts wusste. „Dabei bereitet mir die Herausforderung einer Wette immer so viel Vergnügen – ein Pläsier, welches durch dein abruptes Ausscheiden nun einigermaßen gedämpft wird.“
„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Ich habe Miss Greenwood in der Zwischenzeit sehr schätzen gelernt und werde sie nicht entehren. Natürlich stehe ich zu meinem Wort. Du kannst das Pferd gleich heute mitnehmen, wenn du es wünschst. Ich habe beschlossen, dir Monarch zu überlassen, Franciscan kann ich dir nicht geben. Er war der Hengst meines verstorbenen Bruders. Du wirst sicher verstehen, dass ich mich nicht von ihm trennen möchte.“
Emma saß vollständig angezogen am Fenster, als Cassandra ihr Zimmer betrat. Das Mädchen hatte die Knie angezogen und blickte verträumt in die Ferne.
„Wie geht es dir?“ Cassandra setzte sich neben die Schwester und musterte ihr durchscheinend blasses Gesicht.
„Ich habe mich schon besser gefühlt.“ Emma lächelte ganz schwach.
Aufmunternd drückte Cassandra ihr die Hand. „Wir werden in Kürze nach Hause fahren. Ich erwarte Clem jede Stunde. Wenn wir daheim sind und Mama sich um dich kümmern kann, wirst du dich bald erholt haben.“
„Ist Mama sehr böse auf mich?“
„Sie hat sich große Sorgen um dich gemacht, Emma.“
Das Mädchen nickte zerknirscht. „Und Edward?“
Cassandra erklärte der Schwester, dass der junge Mann sich inzwischen bei seinem Regiment befand. Emma war zutiefst betrübt ob der Aussicht, Edward womöglich nie wiederzusehen, oder bestenfalls erst in ein paar Jahren. Ein wenig Hoffnung schöpfte sie indes, als Cassandra ihr versicherte, dass sie Edward, nachdem sie ihn nun kennengelernt hatte, für einen feinen jungen Gentleman hielt. „Wenn seine Gefühle für dich nach Abschluss der Militärakademie noch immer so stark sind wie in den letzten Wochen und Monaten“, schloss sie, „besteht für euch beide durchaus die Hoffnung auf ein glückliches Wiedersehen.“
Cassandra wollte William vor ihrer Abreise nicht noch einmal sehen und blieb für den Rest des Vormittags bei ihrer Schwester. Als Clem endlich ankam und die Pferde gewechselt waren, begleitete sie Emma mit hoch erhobenem Haupt und stur vorgerecktem Kinn in die Eingangshalle hinunter, wo der Earl bereits auf sie wartete. Sie gab sich betont ruhig und gefasst, obwohl sie innerlich kochte vor Wut.
William hatte sich den ganzen Morgen gefragt, weshalb Cassandra nicht nach unten kam. Er sehnte sich danach, sie zu berühren, sie einfach nur zu betrachten und ihrer sanften Stimme zu lauschen. Sie in seinen Armen zu halten hatte eine nie zuvor empfundene Zärtlichkeit und das Bedürfnis in ihm geweckt, sie zu beschützen. Als er nun auf sie zutrat und ihre abweisende Miene gewahrte, ging ihm auf, dass etwas nicht in Ordnung war.
Cassandra sah ihn an und mahnte sich, ihm durch keinen noch so kleinen Hinweis zu zeigen, wie sehr sie sich trotz allem nach ihm sehnte, wie sehr sie litt und wie leer sie sich fühlte. Er hatte es kaltblütig darauf angelegt, sie zu entehren, und dennoch musste sie alle Kraft aufbieten, um ihm
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