Süße Herzensbrecherin
zu vergessen. Nachdem er Mark seine Abreise angekündigt hatte, machte er sich auf den Weg nach London. Sein Herz war voller Hoffnung, sie wiederzusehen und die Leere in seinem Innern zu vertreiben.
Harriet Greenwood machte ein großes Aufhebens, als ihre Töchter zu Hause ankamen. Zwischen Anfällen heftiger Schelte und Tränen der Erleichterung über die glückliche Heimkehr befahl sie der blassen, zerknirschten und müden Emma, zu Bett zu gehen. Mrs. Greenwood war eine vernünftige Frau, doch bei ihrer jüngsten Tochter neigte sie zu Nachsichtigkeit.
Später machten Cassandra und ihre Mutter es sich auf dem Sofa vor dem Kamin gemütlich, und Cassandra berichtete, was sich während der vergangenen Tage zugetragen hatte. Müde vom langen Erzählen erhob sie sich kurz vor Mitternacht, um sich zurückzuziehen, doch die Mutter hielt sie auf.
„Geh noch nicht, Cassandra. Es gibt da etwas, das ich mit dir besprechen möchte.“
Cassandra setzte sich wieder. Schon bei ihrer Ankunft hatte sie bemerkt, dass die Mutter noch etwas anderes bedrücken musste als Emmas törichtes Verhalten. „Es geht um das Institut, nicht wahr?“
„Ich fürchte, ja.“ Gedankenvoll betrachtete Harriet ihre Tochter. Das Mädchen war immer zielstrebig gewesen, praktisch veranlagt und so stark, dass es sie als Mutter manchmal ängstigte. Seit dem Tod ihres Vaters hatte Cassandra all ihre Kraft und Zeit der Einrichtung gewidmet. Was sie jetzt vernehmen musste, würde sie zweifellos treffen. „Wie du weißt, haben wir seit Langem finanzielle Schwierigkeiten. Und trotz der großzügigen Spende Lord Carlows gehen uns allmählich die Gelder aus. Wenn … wenn sich nicht bald etwas ändert, werde ich wohl das Institut schließen müssen.“
Cassandra straffte sich. „Lord Carlow? Ich wusste, dass er Geld gespendet hat, aber die Höhe der Summe kenne ich nicht.“
„Einhundert Pfund.“
Cassandras Augen weiteten sich. „Das ist allerdings großzügig.“ Ihr Erstaunen wich indes prompt der nüchternen Überlegung, dass der Betrag mit Sicherheit geringer ausgefallen wäre, hätte es diese Wette nicht gegeben. Überhaupt begriff sie allmählich, dass der Earl nichts ohne einen guten Grund tat und nur deshalb so großzügig gewesen war, weil er sich bei ihr hatte einschmeicheln wollen.
Doch was konnte sie hinsichtlich ihrer Geldprobleme tun? Sie hatte stets für ihre Einrichtung geworben und Spender gesucht, aber die Buchhaltung hatte sie immer der Mutter überlassen, und die Ankündigung, dass die Schließung drohte, setzte ihr zu. Sie fröstelte. Was würde das Ende der Einrichtung für uns bedeuten?, fragte sie sich erschüttert, mahnte sich jedoch, nicht allzu schwarzzusehen.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass es so schlimm steht. Wir dürfen das Institut nicht einfach aufgeben. Zu viele Kinder verlassen sich auf unsere Hilfe.“
„Ich weiß. Es schmerzt mich sehr, denn wir alle hängen an unserer Arbeit. Und immer wenn ich dort bin, habe ich das Gefühl, dass ein Teil deines Vaters bei mir ist. Ich wünschte, es gäbe eine andere Lösung.“ Mrs. Greenwood schwieg, um der Tränen Herr zu werden, die ihr in die Augen traten. „Ein wenig Zeit haben wir noch, bevor uns die Mittel ausgehen“, schloss sie dann. „Vielleicht fällt uns bis dahin etwas ein.“
„Wir müssen uns größere Mühe geben. Gleich morgen früh werde ich all unseren Wohltätern schreiben – unter Umständen sind sie diesmal großzügiger und geben uns mehr. Es wird schon gut gehen“, versuchte Cassandra ihnen beiden Mut zu machen, doch sie war selbst nicht von ihrem Erfolg überzeugt. „Hast du schon einmal daran gedacht, Tante Elizabeth um Hilfe zu bitten?“
„Nein. Wir sind von Anfang an übereingekommen, dass wir Tante Elizabeth niemals um Geld bitten werden – obwohl wir wissen, dass sie uns unter die Arme greifen würde. Ich bin ihr dankbar für das, was sie über die Jahre für uns getan hat. Sie jetzt um finanzielle Unterstützung für den Erhalt des Instituts zu bitten ginge eindeutig zu weit.“
„Ich stimme dir zu, Mama. Es war nur ein Gedanke. Ich werde mir etwas einfallen lassen.“
Zwei Wochen vergingen, ohne dass die Bemühungen um den Erhalt der Einrichtung in Soho Erfolg zeitigten. Keiner der Wohltäter war gewillt, über den üblichen Obolus hinaus Geld zu spenden. Um ihren Kummer zu verdrängen, stürzte Cassandra sich auf ihre Aufgaben. Besonderes Augenmerk richtete sie auf Archie, der sich gut von den Verletzungen erholt
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