Suesse Hoelle
Sie das noch nicht bemerkt haben sollten.«
Ihr Kopf fuhr herum, das dunkle Haar flog zur Seite, und sie starrte ihn an. Ihre blauen Augen zogen sich zusammen, wie bei einer Katze. »Höchstwahrscheinlich könnte ich Sie in eine Kröte verwandeln«, meinte sie nachdenklich, doch dann zuckte sie mit den Schultern. »Aber da ist mir bereits jemand zuvorgekommen. «
Er lachte laut auf, was sie verwunderte. »Sie haben zu viele dieser alten Hexenshows im Fernsehen gesehen. Das ist Schwarze Magie, mit übersinnlichen Fähigkeiten hat das nichts zu tun.«
Allmählich konnte sie es nicht mehr ertragen, dass er noch immer um sie herum streifte. Abrupt ging sie in Richtung Küche davon. Er ließ sie gewähren, doch folgte er ihr. »Kaffee«, meinte er. »Eine gute Idee.«
Natürlich hatte sie in keinster Weise vorgehabt, Kaffee für ihn zu kochen, sie war ganz einfach vor ihm geflohen. Aber dankbar nahm sie den Vorschlag an, sich zu beschäftigen - das hatte er geahnt. Sie war verwirrt und bekämpfte ihn, so gut es ging. Er begann zu begreifen, wie wichtig es für sie war, die Kontrolle über sich zu behalten. Zu schade, doch das konnte er nicht zulassen.
Sie öffnete eine Schranktür und holte eine Dose Kaffee heraus. Ihre Hände zitterten so stark, dass es ihm nicht entging. Dann hielt sie inne und stellte die Dose auf die Anrichte. Mit dem Rücken zu ihm sagte sie: »Ich kann keine Gedanken lesen. Ich besitze keine telepathische Begabung.«
»Wirklich nicht?« Das hatte Dr. Ewell nicht bestätigt. Ein leiser Triumph erwachte in ihm. Endlich fing sie an zu reden, anstatt sich nur gegen ihn zu wehren. Am liebsten hätte er seine Arme um sie gebreitet und sie gehalten, hätte sie vor dem Trauma ihrer eigenen Erinnerungen beschützt, doch dazu war es noch zu früh. Sie war sich seiner körperlichen Anwesenheit bewusst, aber hielt noch zu verängstigten, zu feindseligen Abstand.
»Keine... keine klassischen telepathischen Fähigkeiten.« Sie blickte auf die Dose mit dem Kaffee. Ihre Hände zitterten noch immer.
»Also, was sind Sie dann?«
Also, was sind Sie dann? Diese Frage wirbelte in Marlies Kopf. Eine Verrückte , würden manche Menschen sagen. Ein Scharlatan , war das Wort, das andere benutzt hatten. Detektiv Hollister war nicht so höflich gewesen. Er hatte sie eine Betrügerin genannt, eine mögliche Komplizin eines Mörders. Das war natürlich absurd. Selbst er musste wohl inzwischen diesen Gedanken aufgegeben haben, weil er einem völligen Mangel an Beweisen, an Gelegenheit und an Motiven gegenüberstand.
Aber er hatte sie überprüft, war wirklich nach Boulder gefahren und hatte mit Dr. Ewell gesprochen. Jetzt wusste er Bescheid über sie. Vielleicht glaubte er nicht alles, was er gehört hatte, aber wenigstens stellte er ihr Fragen, anstatt sie rundweg zu beschuldigen. Wie viel wusste er nun? Dr. Ewell konnte sogar einem Diplomaten noch beibringen, was Diskretion war, wenn er es wollte; wie viel hatte er einem Fremden erzählt, wenn dieser Fremde ein Cop war? Marlie hoffte verzweifelt, dass er nicht alles wusste, denn dann würde er ihr Fragen stellen, und sie würde es nicht ertragen können, dass alles wieder ans Tageslicht gezerrt würde. Sie fühlte sich eigenartig verletzbar und entblößt. Er war schuld daran, er hatte sie absichtlich berührt und ihr seinen großen starken Körper so sehr aufgedrängt, dass seine Wärme ihre Haut verbrannte.
Sie wollte seine körperliche Anwesenheit nicht noch mehr in sich aufnehmen, als sie es sowieso schon tat. Nur in ihrer Einsamkeit fühlte sie sich sicher.
»Was sind Sie?« wiederholte er ruhig.
Langsam wandte sie sich zu ihm um, bewegte sich mit Überlegung. Sie reckte die Schultern, als wolle sie sich auf eine schwere Prüfung vorbereiten. »Ich bin ein Einfühler mit hellseherischen Fähigkeiten«, erklärte sie. »Oder wenigstens war ich das.« Ganz plötzlich war sie verwirrt, rieb sich über die Stirn. »Ich denke, ich bin es noch immer.«
»Aber Sie haben noch nie Gedanken gelesen?«
»Vielleicht. Nicht so, wie Sie es verstehen.« Es war schwierig, diese enge Verbundenheit mit jemandem zu beschreiben, dass man seine Gedanken erfassen, seine Gefühle fühlen konnte. Manchmal war diese Verschmelzung so stark, dass es möglich war.
Er wählte seine nächsten Worte sehr sorgfältig. »Wenn ich Dr. Ewell glauben kann, so waren Sie die sensibelste Empfängerin, die er je gekannt hat.«
Sie warf ihm einen gequälten Blick zu. »Das Wort >Empfängerin<
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