Suesse Hoelle
unmissverständlichen Sachverhalt. Trotz allem war sie bezaubert von seiner offensichtlichen Belustigung über die Reaktion seines Körpers, und sie musste sich zusammennehmen, ihm das nicht zu zeigen. Soviel Abstand kostete Kraft. Es war sowieso schon schwierig genug, ihn abzuweisen; da konnte sie ihm nicht gleichzeitig zeigen, wie sehr sie sich wünschte, die Dinge stünden anders. Sie hatte sich immer nach einer normalen Beziehung gesehnt, doch war sie seit jeher isoliert gewesen von den anderen Menschen, zuerst durch ihre außergewöhnliche Gabe, danach durch Gleen.
»Es wird nicht gehen«, sagte sie laut.
Wieder blickte er nach unten. »Finden Sie? Ich weiß nicht«, meinte er zweifelnd. »So, wie es aussieht, geht es bei mir ganz gut.«
Marlie lachte laut auf, doch dann schlug sie die Hand vor den Mund. Wieder grinste er sie an, und ihr Herz machte erneut einen Sprung, doch sie gab sich nach wie vor sperrig. Er war viel gefährlicher, als sie es befürchtet hatte, ja, brachte sie sogar zum Lachen.
»Ich kann nicht«, sagte sie und hatte sich schnell wieder gefangen. Ihre Stimme klang zögernd, mit einem bedauerlichen Unterton, den sie nicht vor ihm zu verbergen vermochte. »Gleen ...«
Mit zwei großen Schritten war er an ihrer Seite und legte ihr die Hände um die Taille. Alle Belustigung war aus seiner Miene verschwunden. »Gleen ist tot. Der einzige Weg, wie er Ihnen noch weh tun kann ist, es ihm zu erlauben.«
»Glauben Sie denn, das wäre alles so einfach?«
»Teufel, nein. Freilich ist es nicht einfach. Ich bin ein Cop, das wissen Sie doch. Oft genug habe ich gesehen, was die Opfer einer Vergewaltigung durchmachen.«
»Ich bin nicht ...«
»Vergewaltigt worden im herkömmlichen Sinn? Ich weiß. Aber er hat es versucht, und dann hat er Sie geschlagen, als er es nicht schaffte. Und der Schaden ist wahrscheinlich derselbe, als wenn er wirklich in Sie eingedrungen wäre.«
Wieder lachte sie, doch diesmal war es ein raues, bitteres Lachen. »Es ist schon ein wenig anders. Ich wünschte, er hätte mich vergewaltigt! Jede Nacht liege ich wach und denke, wenn er eine Erektion geschafft hätte, wenn ich nicht so verbissen gegen ihn angekämpft hätte, dann würde der kleine Junge unter Umständen noch leben! Aber er geriet mehr und mehr in Wut, und ich habe mich gegen ihn gewehrt - dann hat er mich plötzlich losgelassen und ist auf das Kind losgegangen.« Sie schwieg eine lange Zeit. »Er hieß Dustin«, sagte sie dann. »Seine Eltern nannten ihn Dusty.«
Danes Hände schlossen sich noch fester um ihre Taille, doch dann entspannte er sich ein wenig. »Es war nicht Ihr Fehler, niemand kann vorhersagen, was ein Verrückter tun wird. Aber es ist schlimm, wenn man mit so etwas fertig werden muss«, meinte er leise. Seine Brust war ganz eng vor Aufruhr. Sanft strich er ihr übers Haar, dann schob er die Finger unter die warme, seidige Fülle und nahm ihren Kopf in seine Hand. »Haben Sie jemals einem Menschen alles erzählt, was in dieser Nacht vorgegangen ist?«
Marlie schüttelte den Kopf. »Nicht alles. Nicht die Einzelheiten. Es war zu... schrecklich.«
»Haben Sie je jemandem erzählt, was Sie mir gerade schilderten?«
»Nein.« Sie blickte zu ihm auf, Verlorenheit stand in ihren Augen. »Ich weiß gar nicht, warum ich darüber gesprochen habe.«
»Weil es zwischen uns beiden funkt, und das können Sie genauso wenig leugnen wie ich. Wir sind zwar noch nicht vertraut miteinander, doch eines Tages wird alles in Ordnung sein. Ich kann warten, wie viel Zeit Sie auch brauchen, bis Sie bereit sind, in meine Arme zu kommen.«
Sie war verärgert über seine Sturheit und über ihre eigene Unfähigkeit, ihn zu überzeugen, deshalb schüttelte sie den Kopf. Sie wusste nicht, sollte sie lachen oder schreien. »Sie sind so verdammt selbstsicher.«
»Vertrauen Sie mir«, murmelte er. Seine harten Finger massierten ihre Kopfhaut, lösten Verspannungen, von denen sie bis jetzt nicht das geringste geahnt hatte. »Sie werden am besten darüber nachdenken, und je mehr Sie darüber nachdenken, desto schneller werden Sie sich an den Gedanken gewöhnen. Und dann werden Sie neugierig werden und sich fragen, wie es sein wird, wenn wir zusammenkommen. Sie haben es wunderbar geschafft, Ihr Leben wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, aber selbstverständlich wissen Sie auch genau, dass nur ein anderer Mann Gleen mit seinen Horrortaten aus Ihrem Gedächtnis tilgen kann. Der nächste Schritt liegt doch nahe! Und ich
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