Suesse Hoelle
ein Cop, hatte schon viel zuviel gesehen, um sich wegen der Einzelheiten auf seine Vorstellungskraft verlassen zu müssen. Er wusste, wie furchtbar Schläge sein konnten. Und er wusste auch, wie es aussah, wenn jemand erstochen wurde. Es floss viel Blut dabei, breitete sich aus und besudelte alles, selbst die Träume. Ihm war klar, wie der kleine Junge geschluchzt und geschrien haben musste, er hatte in den Gesichtern mancher Kinder Terror und Verzweiflung gesehen. Der Schmerz und die schreckliche Hilflosigkeit waren ihm vertraut.
Marlie hatte das alles durchgestanden. Und als sie die Vision vom Mord an Nadine Vinick gehabt hatte, musste sie das alles noch einmal mitmachen. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Fällen machte ihn ganz krank.
Irgendwann während seines Besuchs bei Professor Ewell war seine zynische Nüchternheit verschwunden. Das Zugeständnis medialer Möglichkeiten erschien ihm machbar. Es gefiel ihm nicht, aber trotz allem akzeptierte er, dass Marlie wirklich >gesehen< hatte, wie Mrs. Vinick gestorben war. Vielleicht handelte es sich um einen einmaligen Vorfall. Wenn er dem Professor glauben durfte, so hatte Marlie, nachdem sie sich von den Verletzungen und dem emotionellen Trauma erholt hatte, überhaupt keine übersinnlichen Fähigkeiten mehr an den Tag gelegt. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie in der Lage gewesen, normal zu leben. Das hatte sie sich immer gewünscht, aber der Preis, den sie dafür zahlen musste, würde nachgereicht. Selbst nach sechs Jahren noch war nichts verjährt. Und jetzt wusste Dane auch, warum sie keinen Freund hatte.
Das stärkte seinen Entschluss noch mehr, diese Situation persönlich zu ändern.
Eigentlich sollte ihn die Vielfalt der Konflikte, die ihm durch den Kopf gingen, erheitern. Bis jetzt war es ihm immer gelungen, sich herauszuhalten; die Sorgen, die die meisten anderen Cops hatten, quälten ihn nicht. Doch genau besehen, fand er die ganze Sache überhaupt nicht lustig. Er glaubte nicht an dieses paranormale Zeug, hatte die Leute, die es für bare Münze nahmen, immer ausgelacht. Und jetzt stellte er fest, dass er auf dem besten Weg war, nicht nur daran zu glauben, sondern sich sogar der Fähigkeiten Marlies zu bedienen, um den Mörder von Mrs. Vinick zu finden.
Diese letzte Erkenntnis bewirkte, dass sich alles in ihm zusammenzog. Er wollte Marlie beschützen, auf keinen Fall sollte sie noch einmal mit einem Mörder in Kontakt geraten. Aber er war ein Cop, und sein Job war es, jede Quelle auszuschöpfen zur Aufklärung eines Verbrechen, ganz besonders eines so brutalen wie dem vorliegenden. Dieser Schuft durfte nicht frei herumlaufen, sich zwischen arglosen Menschen bewegen. Und trotz seines ursprünglichen männlichen Beschützerinstinkts wusste er doch, dass er Marlie benutzen würde, wenn es sich ergab. Er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, doch im Augenblick galt es, diese Bestie zu finden und einzusperren. Wenn er nicht ein Verrückter war, so spottete dieser Mord jeder Beschreibung; Dane nahm beinahe an, er würde dafür die Todesstrafe bekommen... doch zunächst mussten sie ihn finden.
Außerdem riet ihm seine Unabhängigkeit zur Vorsicht. Kein Mann, den er kannte, stürzte sich freiwillig in den Wirbel und die Einschränkungen einer Liebesbeziehung; auch er bildete da keine Ausnahme. Ihm gefiel sein Leben, er begrüßte es, dass er nicht an eine einzige Frau gebunden war. Niemandem wollte er darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie er seine Zeit verbrachte, wollte nicht an einen anderen Menschen denken müssen, wenn er Pläne schmiedete. Aber jetzt gab es Marlie, und, verdammt, er hatte das Gefühl, in die Ecke getrieben worden zu sein. Schon oft hatte er der Attraktion von Frauen nachgegeben, doch diesmal erging es ihm ganz anders. Dies war ein Fieber, ein nagendes Bedürfnis, das ihn nicht mehr verließ. Es war erst vier Tage her, seit sie im Büro von Bonness aufgetaucht war und er sie zum ersten Mal gesehen hatte - die ganze Zeit über war es ihm nicht gelungen, sie aus seinen Gedanken zu vertreiben. Je mehr er über sie erfuhr, desto mehr verwickelte er sich selbst in diese Geschichte. Und was das Schlimmste daran war: Sie selbst tat nichts, um ihn zu ködern; er war allein schuld an einem Zustand, gegen den er die ganze Zeit über kämpfte.
Sie hatte die Männerwelt bewusst gemieden; weder eine romantische noch eine sexuelle Bekanntschaft hatte sie geschlossen, seit Gleen ihr Leben
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