Suesse Hoelle
Vielleicht würde das ihre Phantasie ein wenig beleben.
Heute ging es um Jacqueline Sheets, die auf ihn wartete. Er war in ihrem Haus gewesen und konnte sich alles ganz genau vorstellen. Er wusste, wo sie saß, wenn sie fernsah - viel mehr tat sie sowieso nicht. Er wusste, wie ihr Schlafzimmer aussah, worin sie schlief: in praktischen Pyjamas. Das hatte ihn gar nicht überrascht. Nachthemden waren ihm lieber, doch auch das Unterteil eines Pyjamas war für ihn kein Problem. Sie würde es für ihn ausziehen; das taten sie alle, wenn er ihnen das Messer an die Kehle hielt.
Auch in ihrer Küche hatte er sich umgesehen. Ihre Messer waren in einem beklagenswerten Zustand, so stumpf, dass man kaum eine Banane damit schneiden konnte. Offensichtlich hielt sie nicht viel vom Kochen, denn sonst wären ihre Messer tauglicher. Er hatte ein Filetmesser ausgesucht und es mit nach Hause genommen, wo er die letzten beiden Abende damit verbrachte, es rasiermesserscharf zu schleifen. Es widerstrebte ihm, mit unzulänglichem Werkzeug arbeiten zu müssen.
Er konnte kaum die Nacht erwarten, in der das Ritual beginnen sollte. Es war genauso, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte. Wenn du böse bist, musst du bestraft werden.
Um sieben Uhr am nächsten Morgen hatte Dane Marlie angerufen, nur um ihr einen schönen guten Tag zu wünschen und sie zu fragen, ob sie gut geschlafen hatte. Als jedoch ihre irritierte Stimme erklang, musste er leise lachen. Ihr Kopf baute noch immer Barrieren zwischen ihnen auf, doch körperlich war alles viel besser gelaufen, als er zu hoffen gewagt hatte. Er hatte sie geküsst, und sie fürchtete sich kein bisschen, ja, es hatte ihr sogar gefallen. In Anbetracht ihres Lebenslaufs war das schon ein großer Schritt nach vorn.
Den ganzen Weg zur Arbeit grinste er wie ein Idiot. Er hatte sie geküsst! Selbst wenn es ein Kuss gewesen war, der einem modernen Teenager ein gelangweiltes Gähnen entlockt hätte. Was wusste denn schon ein Teenager? So jemand interessierte sich sowieso nur dafür, ein wenig den Busen zu begrapschen und einige schnelle Stöße von sich zu geben. Gott sei Dank war er alt genug, um zu wissen, dass es immer besser wurde, je langsamer es vonstatten ging. Wenn Male endlich zu ihm käme, würde er vielleicht halb verrückt sein vor Frustration; doch nach dem gestrigen Abend zweifelte er nicht mehr daran, dass es eines Tages geschehen würde. Ihm war ganz schwindlig vor Glück, die Erwartung prickelte in ihm wie Champagnerbläschen.
Trammell war bereits da, als Dane ins Büro kam, er blickte ihm verschlafen aus seinen dunklen Augen entgegen, während er sich im Stuhl zurücklehnte. Leute rannten hin und her, redeten und fluchten, Telefone läuteten unentwegt, das Faxgerät und der Fotokopierer ratterten ohne Unterlass Es war ein typischer Arbeitstag, doch Dane fühlte sich nicht so. Er lächelte noch immer, als er zur Kaffeemaschine hinüberging und zwei Tassen einschenkte. An der einen nippte er auf dem Rückweg zu seinem Schreibtisch, die andere reichte er Trammell. »Du siehst aus, als könntest du es brauchen. Hattest du eine schlimme Nacht ?«
»Danke.« Trammell nippte vorsichtig an dem Kaffee. Über den Rand der Tasse blickte er Dane an. »Es war eine lange Nacht, doch keine schlechte. Nun? Hast du gestern etwas Interessantes herausgefunden?«
»Eine ganze Menge. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich nicht mehr ganz so skeptisch bin wie vorher.«
Trammell schlug die Augen gen Himmel. »Und was ist mit Marlie? Was hat sie die letzten sechs Jahre gemacht?«
»Sie musste wieder auf die Beine kommen«, erklärte Dane knapp. »Arno Gleen hat sie drangsaliert, wollte sie vergewaltigen, und als er das nicht schaffte, hat er das Kind vor ihren Augen umgebracht. Wenn ich Dr. Ewell glauben kann, so hat dieses Trauma ihre medialen Fähigkeiten stark beschädigt, sie all die Jahre völlig blockiert. Offensichtlich ist ihre Vision des Mordes an Nadine Vinick ihre erste übersinnliche Wahrnehmung, die sie seitdem gehabt hat.«
»Also kehren ihre Fähigkeiten zurück?«
Dane zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Sonst ist nichts geschehen.« Gott sei Dank. »Ich habe gestern Abend noch mit ihr gesprochen, habe ihr noch einige Fragen gestellt über das, was sie von ihrer Vision noch weiß, und sie hat sich an ein paar zusätzliche Details erinnern können.«
»An was?«
»Der Kerl ist etwa einen Meter achtzig groß, in ausgezeichneter körperlicher Verfassung, und er kommt nicht aus
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