Suesse Hoelle
hockte sich neben den leblosen Körper, bemüht, nichts anzurühren. Alles deutete zwar darauf hin, dass er es hier mit einem Selbstmord zu tun hatte, doch war es ihm in Fleisch und Blut übergegangen, keinerlei Beweise zu zerstören, indem er selber die Initiative ergriff.
Beim Umblicken entdeckte er auf dem Bett ein Blatt Papier. Die Laken waren entfernt worden, nur die nackte Matratze lag darauf, und das Papier hob sich kaum ab von dem Weiß der Matratze. Er konnte lesen, was auf dem Blatt stand, ohne es zu berühren.
Ich habe jetzt keine Familie mehr, wo Nadine nicht mehr lebt; also wird mein Tod keinen großen Unterschied machen. Es hat einfach keinen Sinn mehr für mich. Das Datum stand darauf geschrieben, seine Unterschrift und sogar die Uhrzeit. Halb zwölf in der Nacht. Beinahe die gleiche Zeit, zu der auch seine Frau ermordet worden war.
Dane rieb sich den Nacken, den Mund hatte er grimmig verzogen. Verdammt, es war wirklich furchtbar. Der Mann hatte seine Frau beerdigt, dann war er in das Unglückshaus zurückgekehrt und hatte sich eine Kugel in den Kopf gejagt.
Trammell kam dazu, auch er las die Notiz, die Vinick hinterlassen hatte. »War es Schuldgefühl oder Depression?« fragte er.
»Wer, zum Teufel, kann das wissen?«
»Shit«, sagte auch Trammell. Es lag etwas über diesem Ort des Todes, das jeden Kommentar auf dieses grobe Wort reduzierte. Die Geschichte ging ihnen an die Nieren.
Bis die Leiche abtransportiert und der ganze Schreibkram erledigt war, wies der Zeiger auf neun Uhr. Dane dachte daran, Marlie anzurufen, entschied sich jedoch dagegen. Seine Laune konnte man nicht gerade als glänzend bezeichnen, und nach Romantik stand ihm auch nicht der Sinn. Trammell hatte eine Verabredung, doch war er genauso niedergeschlagen wie Dane, deshalb sagte er sie per Anruf ab. Statt dessen gingen die beiden in eine Bar, einen Treffpunkt von Cops, und tranken dort ein paar Biere. Viele Polizisten nahmen einen Drink oder auch zwei oder drei, ehe sie nach Hause gingen. Es war die beste Art abzuschalten, eine Möglichkeit, die ganze Anspannung bei Menschen abzuladen, die verstanden, wovon sie sprachen, vor der Heimkehr zu Frau und Kindern, wo alles in Ordnung sein musste
»Wenn er wirklich der Täter war, werden wir es nie herausfinden«, brummte Trammell und leckte sich den Schaum von der Oberlippe.
Dane hatte an Trammell immer gefallen, dass er Bier trank und nicht irgend so einen perversen Wein. Er konnte die italienischen Anzüge und die Seidenhemden ertragen, notfalls noch die Gucci-Schuhe; aber es wäre ihm sehr schwergefallen, sich mit einem Weintrinker anzufreunden. Er hatte keine Ahnung, warum Trammell plötzlich Ansel Vinick als tatverdächtig erschien, doch ab und zu begannen sie alle zu spinnen. »Ich glaube nicht, dass er es war. Vermutlich konnte der arme Kerl einfach nicht mehr weiterleben, nachdem er seine Frau gefunden hatte.«
»... war auch nicht davon überzeugt, dass er als Täter in Frage kam«, gestand Trammell brummend. »Ich wollte ihn nur nicht aus den Augen verlieren, während wir damit beschäftigt waren, nach einem Phantom zu suchen.«
Dane trank sein Glas leer. »Nun, ob er unschuldig oder schuldig war, entkommen ist er nicht. Willst du noch ein Bier?«
Trammell betrachtete sein Glas. »Nein, das ist genug.« Er zögerte und runzelte dann die Stirn. »Sag mal, Dane ...«
Er hielt inne, und Dane zog wartend die Augenbrauen hoch. »Ja, was ist?«
»Diese untrüglichen Gefühle, die du immer hast. Dein Instinkt ist doch eigentlich immer richtig, das wissen alle. Hast du je darüber nachgedacht?... Eigentlich unterscheidest du dich nicht sehr von Marlie.«
Wenn Dane sein Bier nicht längst ausgetrunken hätte, hätte er es in diesem Augenblick über den ganzen Tisch gespuckt. Er rang nach Atem, sein wütendes »Was ?« war kaum zu verstehen.
»Denk doch einmal darüber nach.« Trammell schien sich für das Thema zu erwärmen, er lehnte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Wir alle haben manchmal Ahnungen, wir vertrauen alle auf unsere Intuition. Meistens brauchen wird das nicht einmal, denn der Täter sitzt da und singt wie ein Vögelchen. Aber manchmal bleibt uns das Ganze schleierhaft. Also, warum sollten diese Eingebungen so anders sein als die von Marlie?«
»Das ist doch Unsinn. Ahnungen hat man, wenn man unterbewusst etwas wittert, worüber man bloß noch nicht bewusst nachgedacht hat.«
»Das ist aber doch so ziemlich das gleiche wie bei einem
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