Suesse Hoelle
Grund seines Hierseins vergessen und auch die Morde, die sie miterlebt hatte - wollte sich einfach diesem herrlichen Gefühl hingeben. Das war ihr noch niemals gelungen, und vielleicht schaffte sie es auch jetzt nicht. Doch zum ersten Mal schien es in den Bereich des Möglichen zu rücken.
»P-Pizza«, brachte sie hervor und schloss die Augen, während sie um ihre Selbstkontrolle rang. Verzweiflung überkam sie, weil sie so feige war.
Sie fühlte, wie er sich zusammenriss und kräftig durchatmete. »Also, dann ist es wohl die Pizza.« Zögernd ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. Eine große, deutliche Beule in seiner Hose sagte ihr, wie schwierig es für ihn sein musste, jetzt aufzuhören. Die meisten Männer hätten sie gar nicht erst gefragt.
Er bedachte sie mit einem etwas schiefen Lächeln, das seine kantigen Gesichtszüge erhellte. »Ich nehme an, es ging alles zu schnell für dich, mein Schatz, tut mir leid. Du musst verstehen, ich bin sehr empfänglich, wenn es um dich geht.«
Marlie starrte ihn an, ein dicker Kloß saß in ihrem Hals. Sie fühlte sich fast betäubt von dem Schreck und der Erkenntnis. O Gott. Von Anfang an hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt, sie hatte es begriffen und doch dagegen angekämpft; aber sein Lächeln entwaffnete sie vollends. Sie war verliebt gewesen, doch nie zuvor hatte sie geliebt, und die Macht der Liebe hüllte sie in ihren Zauber. Sie schwankte, spontan streckte sie die Hand nach ihm aus, um sich zu halten, und er war da, solide und vital und so heiß, dass sie fast schmolz. Sein Arm lag um sie, und sie barg den Kopf an seiner Brust.
»Psst, es ist alles in Ordnung«, beruhigte er sie. »Ich wollte dir keine Angst machen, entschuldige!«
»Nein«, krächzte sie; er sollte unter gar keinen Umständen glauben, dass er sie an Gleen erinnert hatte, genaugenommen hatte sie es erwartet, doch es war ganz anders. Sie war immer überzeugt gewesen, dass die Furcht vor einer sexuellen Begegnung sie nie wieder verließ, und jetzt, mit dieser neuen Erfahrung, fühlte sie sich eigenartig verloren und aus dem Gleichgewicht geworfen. »Es liegt nicht an dir. Mir war nur einen Augenblick etwas schwindelig.« Irgendwie gelang es ihr zu lächeln, und trotz all ihrer Unsicherheit war dieses Lächeln echt. »Vielleicht sind deine Küsse doch stärker, als du geglaubt hast.«
»Findest du?« Sein Mund war ganz nahe an ihrem Ohr. »Nun, das müssen wir untersuchen, nicht wahr? Nach der Pizza.«
Er führte sie ins Wohnzimmer und brachte sie zur Couch. »Setz dich, ich hole etwas zu trinken. Möchtest du einen Teller ?«
»Nun... ja. Selbstverständlich.«
Er lachte leise. »Das muss wohl daran liegen, dass du eine Frau bist.«
»Ich möchte auch eine Serviette«, bat sie höflich, »weil ich mir nämlich nicht gern die Finger ablecke.«
Er blinzelte ihr zu. »Das werde ich gern für dich übernehmen.«
Abermals durchrieselte es sie, rasch setzte sie sich hin und hörte, wie er geschäftig in der Küche hin und her eilte. Er schien sich in ihrem Haus recht gut auszukennen. Wie hatte das alles nur geschehen können? Sie war verwirrt von der Geschwindigkeit, mit der sich ihr Leben verändert hatte. In weniger als vierundzwanzig Stunden hatte er die Regie übernommen, hatte die Nacht bei ihr verbracht; es sah so aus, als wäre er förmlich eingezogen bei ihr, und mit einem Grinsen hatte er die arme Marlie erobert. Er war eine Ein-Mann-Mannschaft, die ohne die geringste Mühe ihre Verteidigungslinien überwunden hatte.
In wenigen Augenblicken schon kam er zurück, eisgekühlte Limonade, einen Teller und eine Gabel auf dem Tablett, dazu einige Servietten. Er setzte sich neben sie, stellte im Fernsehen den Sportkanal ein und brummte zufrieden, als er die Übertragung eines Baseballspieles erwischt hatte. Er legte ihr ein Stück Pizza auf den Teller, nahm sich selbst auch eines und lehnte sich zufrieden zurück. Marlie sah ihn an. War es das, worauf sie sich eingelassen hatte? Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Schließlich konzentrierte sie sich ganz einfach auf ihre Pizza, gemütlich saß sie neben ihm auf dem Sofa und war belustigt darüber, dass es ihr genügte, ihn einfach neben sich zu haben und sein Mienenspiel zu verfolgen, während er dem Spiel zusah.
Manchmal war sie überwältigt von seiner Größe, und manchmal beruhigte sie sie; doch zum ersten Mal hatte sie jetzt die Gelegenheit, neben ihm zu sitzen und ihn ungestört zu beobachten. Er war
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