Sueße kleine graue Maus
weiteren Aufträgen in der Tasche. »Glücklicherweise habe ich erst kürzlich ein paar Seiden- und Baumwollstoffe günstig erstanden«, stellte sie fest. »Deine Näherin soll mir nächste Woche die Maße der Kundinnen schicken.« Sie schwieg einen Moment. »Und zwar die, die sie selbst genommen hat, nicht die, die sie ihr angeben.«
Barry griff mit beiden Händen in Ranas Haare und strich sie ihr aus dem Gesicht. »Ah, wenigstens ein kleiner Blick auf die alte Rana. Warum willst du nicht, daß ich dich zu Neimann schicke, damit er dein Haar und dein Make-up in Ordnung bringt? Dann würde ich dich mit dieser neuen Ungaro-Kollektion ausstaffieren. Warte, da habe ich noch ein weißes Jerseykleid von Kamali, wie für dich geschaffen. Hast du nicht Lust auf eine kleine Modenschau hier in meinem Haus? Meine Umsätze würden sprunghaft ansteigen. Es wäre für uns beide nicht schlecht.«
Rana schüttelte den Kopf, und er ließ ihr Haar los. Bedauernd beobachtete er, wie es wieder so viel von ihrem klassischen Gesicht verdeckte. »Nein, Barry.«
»Wirst du jemals wieder zu der Arbeit zurückkehren, die du besser verstehst als jede andere, Liebes?«
»Morey hätte es gern.« Sie erzählte Barry von dem Zweijahresvertrag, den er ihr angeboten hatte. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
Er seufzte. »Bist du glücklich, Rana?«
»Glücklich?« War sie jemals in ihrem Leben glücklich gewesen? War das überhaupt irgend jemand? »Ich bin zufrieden. Ich glaube, das ist alles, was ich verlangen kann«, antwortete sie.
Aber sie wollte nicht zu sentimental werden. Deshalb küßte sie ihn auf die Wangen, bedankte sich noch einmal für die Aufträge und versicherte, daß sie sich seine neue Idee durch den Kopf gehen lassen würde.
Als sie draußen auf der Straße stand, fiel ihr ein, daß sie keinen festen Treffpunkt mit Trent verabredet hatte. Darüber brauchte sie sich aber nicht lange Gedanken zu machen, denn schon bald entdeckte sie ihn, wie er ziellos durch die Geschäftsstraße schlenderte und nur stehenblieb, um den Eisläufern auf der Bahn im Innern des Einkaufszentrums zuzusehen.
Wie gut er aussah! Immer, wenn sie ihn sah, überraschte es sie aufs neue, wie stark sie sich von ihm angezogen fühlte. Er wirkte nicht so bullig wie viele Profifootballer, aber stark und muskulös, selbst in dem gutgeschnittenen Sportjackett und der Leinenhose. Rana mochte sein dunkles, dichtes Haar. Jetzt trug er eine Sonnenbrille, wahrscheinlich, damit ihn keine Fans erkannten.
Langsam ging sie auf ihn zu, froh, daß sie Gelegenheit hatte, ihn zu betrachten, ohne daß er es wußte. Als sie noch ein ganzes Ende von ihm entfernt war, wandte er den Kopf in ihre Richtung. Er mußte sie sofort erkannt haben, denn er bahnte sich schnell durch die Menge einen Weg auf sie zu.
»Es tut mir so leid, Ana.« Atemlos brachte er die Worte heraus, kaum hatte er sie erreicht. »Was ich gesagt habe, war ...«
Eine hektische Dame vollbeladen mit Einkaufstüten rempelte ihn von hinten an.
Trent ergriff Ranas Arm, zog sie aus der Menge heraus und drängte sie an die Häuserwand. Rana mußte den Kopf zurücklegen, um zu ihm aufzusehen. Er nahm die Brille ab und steckte sie in die Brusttasche seines Jacketts. Seine dunklen Augen blickten umwölkt.
»Was ich eben im Auto gesagt habe, war unverzeihlich«, erklärte er. »Ich habe es nicht so gemeint. Ich war nur furchtbar sauer.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Trent.«
»Doch. Hier, die sind für Sie.« Er hielt ihr einen kleinen Strauß Maßliebchen entgegen. »Eigentlich wollte ich Rosen, aber die waren ausverkauft. Verzeihen Sie mir? Bitte.«
Tränen traten ihr in die Augen. Schweigend starrte sie auf die Blumen. Sie senkte das Gesicht und vergrub ihre Nase in den Blüten. So oft schon hatte man ihr Blumen geschenkt. Extravagante Arrangements aus Rosen und Orchideen. Sie alle hatten ihr nichts bedeutet. Dieser kleine, unscheinbare Blumenstrauß war das schönste Geschenk, das man ihr jemals gemacht hatte.
»Danke, Trent. Sie sind wunderschön.«
»Ich hatte kein Recht, so zu Ihnen zu reden.«
»Ich habe Sie provoziert.«
»Egal, es tut mir leid.«
»Ich nehme die Entschuldigung an.«
Die Einkaufsstraße war belebt. Fußgänger eilten an ihnen vorüber. Aber sie beide rührten sich nicht vom Fleck. Trent sah sie immer noch an.
»Warten Sie schon lange auf mich?« fragte er.
»Nein. Ich habe Sie vom Atrium aus gesehen.«
»Ich bin so außer mir gewesen, daß ich Ihnen noch
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