Sueße kleine graue Maus
warum?«
»Er hat eine schreckliche Laune. Ich dachte, er hätte Ihnen vielleicht beim Laufen erzählt, warum.«
»Ich bin heute früh nicht gejoggt, weil ich mich für die Fahrt nach Houston fertig machen mußte. Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Nun, er hatte sich aufgeführt wie ein beleidigter Gockel. Vor ein paar Minuten kam er vom Laufen, stapfte herein, als wollte er alles niederwalzen und machte ein Gesicht wie sieben Tage Regen. Dann ist er sofort nach oben gegangen, Nicht mal seinen Fruchtsaft hat er getrunken.«
»Hm«, meinte Rana nur, während sie sich Butter auf eine Scheibe Toast strich. »Vielleicht ist er mit dem falschen Bein aufgestanden.«
War er beleidigt, weil sie nicht mit ihm gejoggt war? Manchmal benahm er sich wie ein kleiner Junge. Irgendwie rührte sie das an, und unwillkürlich mußte sie lächeln. Doch schnell unterdrückte sie diese neue Regung ebenso wie alle anderen Gefühle Trent gegenüber. Sie konnte sich keine Emotionen erlauben. Ihm gegenüber mußte sie sich ganz neutral verhalten.
»Ich muß losfahren, Ruby.« Hastig trank sie einen letzten Schluck Kaffee. »Ich werde wohl erst am späten Nachmittag zurückkommen.«
»Viel Erfolg bei Ihren Geschäften, meine Liebe. Und fahren Sie vorsichtig. Auf den Straßen ist es so gefährlich heutzutage.«
»Ich passe schon auf.« Sie küßte Ruby flüchtig auf die Wange und verließ das Haus durch die Hintertür.
Die geräumige Garage im Hinterhof war erst später an die Villa angebaut worden. Rana war froh, daß Trents Sportwagen hinter Rubys Auto parkte, so war sie nicht gezwungen, ihn zu bitten, Platz zu machen. Sie hängte den Rock an einen Haken im hinteren Teil ihres alten Wagens und setzte sich ans Steuer.
Zuerst dachte sie nichts Böses, als der Motor nur stotterte und hustete. Der Wagen machte immer Schwierigkeiten beim Anspringen. Aber nach etlichen vergeblichen Versuchen fing Rana an zu fluchen. In der Garage war es heiß und stickig, selbst zu dieser frühen Morgenstunde. Sie versuchte es wieder und wieder und wurde von Mal zu Mal wütender. Sie war an keine feste Uhrzeit gebunden, mußte aber unbedingt an diesem Tag nach Houston.
»Verflixt!« rief sie und schlug mit der Faust auf das Lenkrad. Barry würde aus der Haut fahren, wenn sie heute nicht den Rock ablieferte.
Rana stieg aus und lief zurück an die Hintertür. »Ruby!« rief sie ins Haus hinein. »Gibt es eine Busverbindung von Galveston nach Houston?«
Als sie in die Küche trat, sah sie Trent am Tisch sitzen. Er aß schweigend Eier mit Speck. Ruby kühlte ihren Kopf mit einem Eisbeutel und nippte an der Kaffeetasse.
Bei Ranas Anblick ließ sie den Eisbeutel sinken. »Ich dachte, Sie seien längst weg, meine Liebe.«
Resolut wandte Rana den Blick von Trent ab. Er trug ein Sporthemd und eine dünne Leinenhose. Über der Stuhllehne hing ein leichtes Sportjackett.
»Mein Auto springt nicht an. Ich muß mit dem Bus nach Houston fahren. Wo ist eine Haltestelle?«
»Ich muß heute auch nach Houston. Ich nehme Sie mit«, erklärte Trent.
»Was bist du doch für ein lieber Junge!«
Ruby lächelte ihren Neffen voller Zuneigung an. »Setzen Sie sich, Rana, und trinken Sie noch eine Tasse Kaffee.«
»Aber ...« Rana befeuchtete ihre trockenen Lippen. »Ich muß allein hinfahren.« Unmöglich konnte sie Trent mit in Barrys Modehaus nehmen. Barry könnte sich verplappern oder auf irgendeine andere Art und Weise ihr Geheimnis aufdecken. In der Nacht hatte sie lange mit dem Gedanken gespielt, Moreys Vertragsangebot anzunehmen. Wenn sie wieder in ihren alten Job zurückkehrte, konnte sie sich viel Kummer ersparen. Dann würde sie keine Gelegenheit mehr haben, sich enger mit Trent einzulassen. Aber dann mußte sie auch einfach von der Bildfläche verschwinden. Er sollte nie erfahren, daß sie nicht die unscheinbare Miss Ana Ramsey war, für die er sie hielt. Wenn er jemals etwas über ihr anderes Leben erfahren würde, wäre er mit Sicherheit wütend über ihren Betrug.
»Wahrscheinlich muß ich in einen ganz anderen Stadtteil als Sie«, fuhr sie fort.
»Wohin müssen Sie denn?«
»In die >Galerie<.«
»Fein.« Er nickte, als wollte er sagen: Abgemacht. »Ich muß wegen meiner Schulter zum Arzt. Seine Praxis ist ganz in der Nähe. Sind Sie fertig?« Er stand auf.
»Nein, wirklich, ich kann Sie unmöglich belästigen«, erwiderte sie verzweifelt.
»Schauen Sie.« Mit einem Ruck zog er das Jackett von der Stuhllehne. »Ich muß doch sowieso dahin. Es wäre doch
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