Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
seinem durchdringenden Blick und der kraftvollen Statur.
Trotz der Faszination, die er auf sie ausübte, musste Anna sich wohl oder übel geschlagen geben. „Ich komme um eins wieder, Mr. Hobbs-Smith.“
„Sehr gut, Miss Fairchild.“
Anna schloss beunruhigt die Tür und machte sich auf den Weg zur Schule. Sie hoffte von ganzem Herzen, dass Nathaniel sich nicht von Mr. Archer dazu hinreißen ließ, zu viel zu verraten. Er neigte dazu, unter Druck leicht die Fassung zu verlieren. Doch sie mussten sich unbedingt an die Geschichte halten, die sie sich ausgedacht hatten, um die Wahrheit vor aller Welt zu verbergen.
Zu viel und zu viele hingen davon ab.
4. KAPITEL
David zog es vor, seinen alten Freund eine Weile im Ungewissen zu lassen, und so wandte er den Blick von der reizenden jungen Frau ab, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, und gab vor, die eindrucksvolle Büchersammlung zu betrachten, die drei Wände einnahm. Er unterdrückte ein Lächeln, als Nathaniel sich voller Unbehagen räusperte. Nach einer Weile fand er, er habe ihn genügend gequält, und drehte sich zu ihm um.
„Deine Unternehmung scheint ja sehr einträglich für dich zu sein, Nathaniel.“
„Trey … ich kann dir erklären …“, begann Nathaniel stockend.
„Ich hätte allerdings nicht gedacht, dein Vater würde dich in dieser Sache unterstützen“, unterbrach David ihn. „Mein Vater spricht voller Anerkennung von den Tory-Ansichten des Barons.“
„Vater ist ein Tory, solange kein Geld im Spiel ist. Dass sein Sohn arbeitet, stört ihn wenig, wenn es Profit bringt“, erwiderte Nathaniel mit einer gewissen Bitterkeit.
„Wer war eigentlich diese Frau? Miss Fairchild.“
„Anna?“
David entging nicht die Röte, die Nathaniels Wangen überzog, sobald er ihren Namen aussprach. Noch dazu ihren Vornamen.
„Sie … Miss Fairchild, meine ich … ist eine alte Schulfreundin meiner Schwester.“
Also eine respektable Person, für deren Anwesenheit in Nathaniels Büro es allerdings nicht den geringsten Grund zu geben schien. Ganz abgesehen davon, dass sie sich verhalten hatte, als sei sie die Besitzerin des Büros.
„Miss Fairchild schien mir fast zum Inventar zu gehören und wirkte ganz und gar nicht wie eine Besucherin. Erfüllt sie hier bei dir irgendeine Funktion?“, fragte David und ließ die Doppeldeutigkeit seiner Worte eine Weile auf Nathaniel einwirken.
„Es ist zwar nicht weithin bekannt, Trey, aber Miss Fairchild hilft mir bei einigen Artikeln für die ‚Gazette‘. Sie ist Lehrerin und besitzt großes Geschick für das Redigieren und Korrigieren von Texten.“
„Sie ist also deine Sekretärin?“ Langsam kam er zum Schreibtisch zurück, nahm in dem Sessel davor Platz und schlug lässig ein Bein über das andere.
„Ich bin nicht sicher, was du im Hinblick auf Miss Fairchild anzudeuten versuchst, weise aber entschieden dein Bemühen zurück, ihren Namen beschmutzen zu wollen, nur weil du sie in meinem Büro angetroffen hast.“
Das war nicht der Nathaniel, den er in Erinnerung hatte. Dieser neue Nathaniel setzte sich mutig für den guten Ruf einer Dame ein. Sehr interessant.
„Ich nehme deinen Protest demütig zur Kenntnis, Nate“, sagte David leicht ironisch. „Eigentlich wollte ich mir lediglich Klarheit darüber verschaffen, wer in deinem Geschäft welche Aufgaben innehat, damit ich weiß, an wen ich meinerseits eine Beschwerde wegen Beschmutzung meines Namens zu richten habe.“
Zu seinem Erstaunen sah Nathaniel einen Moment so aus, als würde er gleich ohnmächtig werden. Doch dann riss er sich sichtlich zusammen, stand auf und räusperte sich.
„Ich leite die Zeitschrift, und alle Beschwerden, welcher Art auch immer, müssen also an mich gerichtet werden.“
Der kühle Ton seiner Stimme ließ David einsehen, dass er seinen alten Freund falsch eingeschätzt hatte. Es war eindeutig klüger, die Sache auf andere Weise anzugehen, sonst würde er die Schlacht noch verlieren, bevor sie richtig begann.
„Dann werde ich es also tun, sollte es je nötig werden.“ Er erhob sich, griff nach Hut und Handschuhen und streifte sie sich über. „Während ich also jene Beschwerde formuliere, könntest du mir Mr. Goodfellows Adresse geben, sei so freundlich“, fügte er beiläufig hinzu.
„Mr. Goodfellow?“
„Als sein Herausgeber musst du doch wissen, wo ich den Mann finden kann.“
Nathaniel tat sich offensichtlich schwer mit einer Antwort, denn er öffnete zwar den Mund, brachte aber
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