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Sueße Prophezeiung

Sueße Prophezeiung

Titel: Sueße Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abe
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Ärger, ja. Aber noch etwas anderes, das sich nicht so leicht beschreiben ließ. Argwohn vielleicht. Furcht – hoffentlich nicht. Nein, da war keine Angst, nicht bei ihr. Eher Vorsicht.
    Hm – nicht schlecht! Er hatte so schon Schwierigkeiten genug, mit ihr fertig zu werden. Eine etwas respektvollere Haltung ihm gegenüber könnte nicht schaden.
    Seine Männer beobachteten, wie sie schweigend aß. Sie bemerkten die Falten im Tartan, die sie selber geordnet hatte und die alle an der richtigen Stelle saßen. Über ihren gesenkten Kopf hinweg tauschten sie befriedigte Blicke. Niemand außer Marcus wusste, dass sie nur nachgegeben hatte, damit sie sich von ihm entfernen und er ihr nicht folgen konnte.
    Avalon saß auf einem flachen Stein am Boden und kaute missmutig auf ihrem Haferkeks herum.
    Da war es wieder, dieses schrecklich vertraute Plaid, das ihren Körper umhüllte. Hatte sie nicht geschworen, es nie wieder zu tragen? Sie war vierzehn gewesen, und in jener Nacht hatten sie die Grenze von Schottland nach England überquert. Als sie den Tartan ablegte, geschah es in der Überzeugung des letzten Mals. Sie hatte ihn selbst im Ofen des Gasthauses verbrannt, in dem sie übernachteten. Langsam wurde der Tartan von den Flammen verschlungen, und keiner hatte ein Wort zu ihr gesagt – weder der Abgesandte des Königs noch die Soldaten oder der Gastwirt. Alle zusammen hatten mit ihr zugeschaut, wie er zu Asche wurde.
    Und nun war er wie ein schlechter Traum zurückgekehrt. Der Kincardine-Tartan, der über ihrer Schulter und um ihre Taille lag, genau wie bei den Schultern und Taillen der anderen Frauen des Clans. Sie hatte sich erinnert, wie das riesige Viereck aus Stoff zu handhaben war, ohne auch nur überlegen zu müssen. Mit Leichtigkeit hatten ihre Finger den Stoff in Biesen und Falten gelegt, was sie als Kind unermesslich viel Zeit gekostet hatte. Avalon unterschied sich nun äußerlich von keinem von ihnen mehr. Niedergedrückt erkannte sie, wie leicht es für die Kincardines war, sie wieder in ihrer Mitte aufzunehmen.
    Konnte jener Augenblick relativer Freiheit den Verlust des Schwurs, den sie geleistet hatte, aufwiegen? War er es wert, nur um damit die reißende Flut der Gefühle aufzuhalten, die sie in Hanochs Sohn gespürt hatte, als dieser sie über das von ihr zurückgewiesene Stoffbündel hinweg anblickte?
    Es ließ sich nicht leugnen, was geschehen war. Sie hatte irgendetwas gesagt – was eigentlich? –, und schon hielt er sich an ihren Worten fest und wandelte sie um in wirbelndes Verlangen. Er hatte sie mitgerissen.
    Es war zu plötzlich, zu überwältigend geschehen. Es ähnelte zu sehr jenem Augenblick auf der Treppe im Gasthaus, als er nur ihr Kinn berührt hatte, und sie spürte, dass ihr ganzer Körper in Flammen aufging. Ihr Körper war in einer Art geweckt, die sie noch nicht kannte.
    Was sollte sie davon halten? Sie hatte keine Ahnung. Solche Blicke wie bei ihm hatte sie bei vielen Männern in London gesehen. Und auch auf dem Weg zurück nach Gatting waren sie ihr aufgefallen. Aber keiner hatte sie so tief berührt wie er. Keiner hatte die Chimäre so heftig beschworen.
    Keiner ließ sie sich so ... lebendig fühlen.
    Der Haferkeks war staubtrocken und allmählich bemerkte sie wieder seinen faden Geschmack. Auch etwas, von dem sie gedacht hatte, es nie wieder zu haben.
    Marcus Kincardine entpuppte sich alles in allem als ganz anders als erwartet. Er sprach gerade mit seinen Männern, die sich um ihn versammelt hatten, und alle trugen eine ernste Haltung zur Schau. Jeder von ihnen war sich genau wie sie intensiv der Anwesenheit des jeweiligen Nachbarn bewusst. Marcus wandte ihr den Rücken zu. Er sagte etwas zu einem braunhaarigen Mann, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Wahrscheinlich war es einer von Hanochs Günstlingen.
    Der Zauberer Balthazar hielt sich etwas abseits, während er das herrlich ziselierte Zaumzeug seines Hengstes festhielt. Würdevoll nickte er ihr zu.
    Dieser Mann war Avalon von Anfang an aufgefallen. Es hatte nichts mit seiner fremdländischen Kleidung oder seinen Ohrringen zu tun, die ihn von den anderen unterschieden. Es lag an seinem Auftreten. Die Chimäre hatte sofort das richtige Wort geflüstert, als er sich näherte: Zauberer.
    Es war erstaunlich – ein der Fantasie entsprungenes Wesen erkannte ein anderes. Wenn das Wesen auch nur der Fantasie entsprungen war, so verkörperte dieser Mann es doch zur Gänze. Seine Ganzheit wirkte so echt. Sie leuchtete aus seinen

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