Sueße Prophezeiung
mit offenem Mund zu ihm auf und dann wieder zu ihr.
»Guten Abend«, begrüßte er sie, weil ihm nichts anderes einfiel.
Die Jungen erwiderten seinen Gruß im Chor. Avalon reagierte nur mit einem auf ihre Füße gerichteten Blick.
Für eine Weile verharrten alle so, bis Marcus wagte, näher zu treten. Die Reihe der Jungen öffnete sich und ließ ihn in ihren Kreis ein.
»Laird, könnt Ihr wie die Braut kämpfen?«, fragte ein kühner Bursche.
»Tja, kämpfen kann ich schon, aber nicht so wie eure Herrin. Sie verfügt über besondere Fähigkeiten.«
»Jeder kann es lernen«, versicherte Avalon schnell.
Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit der Jungen wieder auf sie. Hoffnung und Erregung wirbelten über ihre Mienen.
»Werdet Ihr es uns beibringen, Mylady?«, erkundigte sich der gleiche Junge.
Avalon zögerte, warf einen Blick auf Marcus und schaute dann wieder nach unten. Das schwache Sternenlicht schmückte ihre Wangen, ihre Lippen und jede einzelne Wimper. Ihre weiblichen Formen waren in kühles blaues Licht getaucht.
»Ich werde, wenn ich kann«, sagte sie schließlich.
Marcus verschränkte die Arme über der Brust. »Was spricht dagegen, Lady Avalon?«
Wieder forderte er sie heraus. Er konnte es einfach nicht lassen.
Sie hob den Kopf und blickte ihm freimütig in die Augen. »Ich werde es tun, wenn die Zeit dafür gekommen ist«, ergänzte sie, und die Jungen gaben ihre begeisterte Zustimmung.
In ihrer Erregung begannen sie, den Lehrplan ohne sie aufzustellen, und diskutierten miteinander darüber, wann man am besten begänne, wer teilnehmen sollte und welches der beste Übungsplatz wäre.
»Haltet mal, ihr Jungen«, unterbrach Marcus sie. »Unsere Herrin ist verletzt. Wir müssen warten, bis sie wieder gesund ist.«
Nach einigen Ausrufen der Enttäuschung wurden die Jungen still. Avalon hörte ihnen zu und schüttelte dann den Kopf.
»Eigentlich können wir schon morgen beginnen, wenn euer Laird es erlaubt«, meinte sie. »Ich sage euch, was ihr tun sollt, und ihr übt es, während ich euch dabei zuschaue. Das wäre ein guter Anfang.«
Zwölf Paar junger Augen richteten sich wieder auf ihn, und Marcus gab scheinbar widerwillig nach. »Wie Ihr wünscht«, sagte er zu Avalon, und er musste den Kopf senken, um seinen inneren Triumph zu verbergen. Ein weiterer kleiner Schritt war getan, um Avalon an Sauveur zu binden. Im Stillen dankte er der Hartnäckigkeit der Jugend.
Doch Hartnäckigkeit hatte auch ihre Nachteile. Die Jungen blieben unbekümmert da, obwohl Marcus ihnen Blicke zuschleuderte, die bedeuteten, sie seien entlassen. Sie hatten sich wieder zu Avalon umgedreht und bombardierten sie mit Fragen. Alle redeten durcheinander, und sie warteten kaum auf ihre Antworten. Avalon bemerkte seine wachsende Ungeduld. Er sah, wie ihre Mundwinkel sich jedes Mal hoben, wenn sie in seine Richtung schaute. Und jedes Mal wurde ihr Lächeln ein wenig breiter.
Zum Schluss musste er die Gruppe auseinander scheuchen und den Jungen sagen, sie sollten endlich das Feld räumen, aber er versicherte ihnen, dass die Herrin auch am nächsten Tag noch da sein würde, um ihnen eine Audienz zu gewähren.
Sofort löste sich die Gruppe auf, und die Kinder rannten in die Dunkelheit. Nichts dämpfte ihre Erregung darüber, welche großartigen Siege die Zukunft für sie bereithalten würde – wenn sie die Kampffähigkeiten der Kriegsmaid, der ein so magischer Fluch anhaftete, übernähmen.
Avalon stand an der feuchten Steinmauer und blickte nach Süden über die Baumwipfel und glatten Gebirgshänge. Marcus bemerkte, dass ihre Armschlinge anders aussah in Farbe und Muster. Er erinnerte sich nur vage an jenen Moment in seinem Studiersaal mit den Abgesandten. Aber es schien ihm, als hätte Avalon da etwas ziemlich Erstaunliches getan: spontan ihren verletzten Arm aus der Schlinge gezogen, um zu beweisen, dass er in Ordnung war. Als es passierte, hatte er es nur aus der Ferne beobachtet. Es war zu einer weiteren Tatsache in der brisanten Mischung aus Worten und Absichten in jenem Raum geworden. Aber jetzt fragte Marcus sich, warum sie es getan hatte.
Die Gesandten wären entsetzt gewesen bei der Entdeckung, dass man sie misshandelt hatte. Sie hätten jede Verletzung zum Anlass genommen, ihre Forderungen zu untermauern. Selbstverständlich war Avalon sich dessen genauso bewusst wie er. Trotzdem hatte sie zu seinen Gunsten gehandelt. Sie hatte ihre Bedenken mit königlicher Würde zerstreut und damit Marcus der
Weitere Kostenlose Bücher