Süße Rache: Roman (German Edition)
zum ersten Mal seit Jahren – Jahrzehnten – eine tiefe Unsicherheit.
In seinen Eingeweiden brodelten Panik, Zorn und Verwirrung. Wie hatte das passieren können? Warum löste ausgerechnet Drea diese Gefühle in ihm aus?
Er setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und betrachtete sie deprimiert. Zwei Jahre war sie inzwischen schon bei ihm, länger als jedes Mädchen vor ihr, aber nur, weil sie so sanft und anspruchslos war. Er hatte weder die Zeit noch die Geduld, sich mit Jammern, Schmollen und übertriebenen Ansprüchen herumzuärgern. Das Leben mit Drea war problemlos; sie war ausgeglichen, ein bisschen dumm und interessierte sich ausschließlich fürs Shoppen und ihr hübsches Aussehen. Sie machte ihm keine Szenen, es gab keine Zornesausbrüche, sie brauchte weder teure Geschenke noch übertriebene Aufmerksamkeit. Er dachte kaum an sie; sie war einfach da, immer lächelnd und stets willig, wenn er Sex wollte.
Bei genauerer Betrachtung musste er zugeben, dass er sie nur behielt, weil er mit ihr jederzeit Sex haben konnte. Natürlich hatte er sie diesem Dreckskerl nur ungern überlassen, weil kein Mann mit Cojones in der Hose seine Frau mit einem anderen teilte, aber die Alternativen waren begrenzt gewesen, und keine davon hatte ihm wirklich gefallen. Hätte er »Nein« gesagt, wie es sein Stolz und sein Ego forderten, hätte er auf die äußerst wertvollen Dienste dieses Mannes verzichten müssen – Dienste, auf die er demnächst angewiesen war. Außerdem war es durchaus möglich, dass der Killer seine Weigerung persönlich nahm, und auch wenn Rafael vor niemandem Angst hatte, so war er doch klug genug zu wissen, dass es Menschen gab, mit denen man sich lieber nicht anlegte, und der Killer gehörte eindeutig dazu.
Darum hatte er seinen Stolz und seinen Zorn hinuntergeschluckt und »Ja« gesagt, auch wenn ihm das verflucht noch mal kein bisschen gefallen hatte. Den ganzen Nachmittag hatte es in ihm gebrodelt, dauernd hatte er sich vorstellen müssen, wie seine Frau nackt bei einem anderen Mann lag, er hatte sich verflucht noch mal sogar dabei ertappt, wie er sich gefragt hatte, ob dieser Mistkerl einen größeren Schwanz hatte als er. Über so eine Scheiße brauchte er sich wirklich nicht den Kopf zu zerbrechen, darum war er umso wütender, dass sich dieser nagende Zweifel festgefressen hatte. Er besaß Geld und Macht, nichts anderes zählte für Frauen wie Drea.
Er hatte zwar ihren entsetzten Blick bemerkt, als er sie dem Killer überließ, dennoch hatte er nicht gedacht, dass ihr das viel ausmachen würde. Immerhin war Sex die Währung, in der sie bezahlte. Also keine große Sache, oder?
Insgeheim hatte er tatsächlich erwartet, sie würde genügsam wie eh und je ihre Nägel feilen, wenn er zurückkam, oder diesen verfluchten Verkaufssender anschauen, den sie so liebte. Stattdessen hatte er sich gefühlt wie nach einem Magenschwinger, als er sie zusammengekauert auf dem Balkon sitzen sah, wo sie sich das Herz aus dem Leib weinte. Der Anblick hatte ihn tief getroffen: die nassen, zurückgestrichenen Haare, das ungeschminkte Gesicht, die rotgeweinten Augen. Ihr Gesicht war in sich zusammengefallen und kalkweiß gewesen, als stünde sie unter Schock, und ihre Augen wirkten -
Gebrochen. Das war das einzige Wort, das sie wirklich beschrieb. Sie wirkte gebrochen.
Im ersten Moment hatte er geglaubt, dass dieses Schwein ihr wehgetan hatte, dass der Typ zu den Kerlen gehörte, denen einer abging, wenn sie eine Frau leiden
sahen, und wieder hatte Rafael gemerkt, wie ihn eine unerwartete Reaktion aus dem Gleichgewicht brachte, nur dass es diesmal seine eigene Reaktion war: In ihm kochte purer Zorn hoch, dass es jemand gewagt hatte, etwas kaputt zu machen, das ihm gehörte, dass jemand seiner schlichten, harmlosen Drea wehgetan hatte. So teuer ihn das auch zu stehen kommen konnte, er würde diesen Drecksack jagen und töten lassen.
Dabei war es ganz anders gewesen. Sie war am Boden zerstört, weil er, Rafael, ihr deutlich gemacht hatte, dass er sie nicht liebte, und weil er ihre Hoffnungen zerstört hatte, dass es je dazu kommen könnte.
Das wollte Rafael nicht in den Kopf. Liebe war kein Teil ihres Deals. Trotzdem schmiedete sie Pläne, ihn zu verlassen, weil sie erkannt hatte, dass er sie nicht liebte, und keine Hoffnung mehr hatte, dass er es je tun könnte. Der Killer hatte sie nicht einmal angerührt. Auch wenn das absolut unglaublich erschien, sie hatte keinen Grund, ihn anzulügen, schließlich hatte er
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