Süsse Sehnsucht Tod
Mund auf, und harte Fauchlaute waren zu hören. Sie stand dicht davor, alles zu zerschlagen. Mit Mühe hielt sich Iris zurück.
Tot – wirklich tot?
Noch hatte sie keinen Beweis für diese Annahme. Aber sie wollte es unter allen Umständen herausfinden. Zuerst dachte sie daran, bei Mandy anzurufen. Wenig später verwarf sie jedoch diesen Gedanken wieder. Es war schon besser, wenn sie zu ihr ging. Klingeln, abwarten, ob sie öffnete, und wenn das nicht eintrat, konnte sie noch immer die Polizei anrufen und die Beamten bitten, doch nachzuschauen.
Das Radio stellte sie nicht ab. Leicht fiel es ihr nicht, die kleine Wohnung zu verlassen. Beinahe hätte sie sogar den eigenen Schlüssel vergessen.
Iris klemmte ihn in die Tasche der Hose. An den Füßen trug sie weiche, helle Lederslipper, auf denen sie lautlos und wie schwebend durch den langen Flur ging.
Einige Male wischte sie über ihre Augen, um klarer sehen zu können, denn in ihnen hatte sich das Tränenwasser gesammelt. Einsam kam sie sich vor, wie eine Gestalt, die nicht durch einen Flur schritt, sondern durch den Tunnel zum Jenseits.
Iris Cramer vernahm zwei Männerstimmen. Wieder wischte sie ihre Augen klar, ging dabei einige Schritte weiter, um sofort zu stoppen.
Vor Mandys Tür standen zwei Fremde.
Einer von ihnen war ein Chinese. Der andere ein Weißer.
Hochgewachsen und dunkelblond.
Beide Männer hatten sie gehört und gesehen. Sie war schließlich die einzige auf dem langen Flur. Iris wurde angestarrt, sie wollte sich umdrehen, als der Blonde bereits auf sie zukam…
***
Ich lächelte.
Es war einfach wichtig zu lächeln, denn ich hatte die Frau mit den langen, gegellten Korkenzieherhaaren genau richtig eingeschätzt. Sie war übernervös, sie hatte Furcht, und sie wäre am liebsten wieder abgedreht, zurück in ihre Wohnung, aber das wollte ich verhindern. Mein Instinkt sagte mir, daß diese Person etwas mit der toten Mandy zu tun hatte oder zumindest einiges über sie wußte.
»Guten Tag«, sagte ich, als ich stehenblieb. »Mein Name ist John Sinclair, und der Mann dort hinten ist mein Freund Suko.«
Sie nickte nur.
Diese Frau stand unter Schock, das hatte ich sofort festgestellt. Das sagte mir meine Erfahrung. Sie mußte etwas Schlimmes erlebt haben, aber sie hatte auch zu Mandy gewollt, und der Grund interessierte mich brennend.
»Darf ich Ihren Namen erfahren?«
»Iris«, erwiderte sie wie ein Automat. »Iris Cramer.«
»Sie wohnen hier, nicht?«
»Ja, stimmt. Dort hinten. Am Ende des Flurs.«
»Und Sie wollten zu Mandy?«
»Wir waren verabredet.«
»Das dachte ich mir.« Ich schaute Iris Cramer an, die den Blick gesenkt hielt, weil sie mir auf keinen Fall in die Augen schauen wollte. Sie war nervös, sie hatte Angst, und ich fragte mich, ob sie mehr über Mandys Tod wußte. »Geht es Ihnen nicht gut, Iris?«
»Wieso?«
»Sie machen auf mich den Eindruck.«
Alles an ihr war jetzt übertrieben. Der Kopf ruckte hoch. Sie schüttelte die Haare zurück. »Quatsch!« sagte sie laut und deutlich. »Das ist doch Unsinn, was Sie sagen!«
»Dabei habe ich es nur gut mit Ihnen gemeint.«
»Mag sein, aber das interessiert mich nicht. Ich möchte jetzt zu meiner Freundin.«
»Sorry, aber das wird kaum gehen.«
Plötzlich zerbrach ihre aufgesetzte Sicherheit. Die Frau tappte zur Seite und lehnte sich mit der Schulter gegen die Flurwand. Mit einer müden Bewegung strich sie einige Strähnen aus ihrer Stirn, nickte, als wollte sie sich selbst etwas bestätigen, und fragte dann mit kratziger Flüsterstimme: »Sind Sie von der Polizei?«
»Darf ich fragen, wie Sie darauf kommen?«
»Nur so.«
»Das glaube ich Ihnen nicht, Iris. Sie machen auf mich den Eindruck, als wüßten Sie mehr.«
»Was denn?«
»Das sollen Sie uns sagen.«
Iris Cramer nickte. »Ich kann mir denken, weshalb Sie hier sind. Mandy ist tot, nicht wahr?«
Es hatte keinen Sinn, ihr etwas vorzumachen. »Ja, Iris, sie ist tot.«
Die Frau schwieg. Dann weinte sie. Ich gab Suko ein Zeichen, das er verstand. Er schloß die Tür auf und verschwand in der Wohnung, während ich bei Iris Cramer blieb und sie zu trösten versuchte, was kaum möglich war. Jetzt, wo sie die Bestätigung erhalten hatte, brach es aus ihr hervor. Sie brauchte jetzt jemanden, der sie unterstützte. Für kurze Zeit ließ ich sie allein, um Suko Bescheid zu geben, daß ich mit Iris Cramer in ihre Wohnung gehen würde.
»Das ist gut. Ich wollte ja in dieser bleiben.«
»Wir sehen uns dann
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