Süsse Sehnsucht Tod
später.«
Im Flur fand ich Iris an derselben Stelle. Aber sie stand nicht mehr, sondern war zusammengesackt. Die Hände hatte sie vor das Gesicht geschlagen, als könnte sie die Tränen stoppen.
»Bitte, Iris, kommen Sie.«
»Nein!« schluchzte sie und schüttelte den Kopf. »Ich will nicht mehr in meine Wohnung. Ich will nicht allein bleiben. Das halte ich nicht aus.«
»Sie brauchen nicht allein zu bleiben, Iris. Ich werde mit Ihnen gehen. Ich bin wirklich Polizist. Ich möchte Sie auch beschützen. Nehmen Sie es bitte an.«
Iris wartete eine Weile und ließ sich von mir auf die Füße helfen. Mit gesenktem Kopf und von mir gestützt, ging sie neben mir her.
»Den Schlüssel haben Sie?« fragte ich, als wir vor der Tür standen. Sie sah ebenso aus wie die an Mandys Wohnung. Alle Türen in diesem Bau schienen gleich zu sein.
»Ja.« Sie nickte und suchte ihn in der rechten Hosentasche. Sie zog den Schlüssel hervor, war aber selbst nicht mehr in der Lage, die Tür zu öffnen. Das Zittern ihrer Hand war einfach zu stark, und so übernahm ich diesen Job.
Die Wohnung der toten Mandy und diese hier waren gleich geschnitten, nur unterschiedlich möbliert. Ich war schon vorgeimpft und suchte automatisch nach einem Radio. Einen alten Kasten entdeckte ich nicht.
Iris Cramer besaß einen modernen Musikturm. Das Mittelteil war eingeschaltet. Das grüne Licht der Instrumentenbeleuchtung glühte geheimnisvoll.
Iris Cramer hatte die Tür geschlossen. Mit schleppenden Schritten betrat sie den Wohnraum, sah mich, hob die Schultern und breitete zugleich die Arme aus. »Es tut mir leid, Mr. Sinclair, daß ich Ihnen so viele Umstände bereitet habe, aber jetzt werde ich mich frisch machen und darf mich schon bei Ihnen für die Mühen bedanken.«
»Das verstehe ich nicht ganz«, erwiderte ich, obwohl ich schon wußte, auf was sie hinauswollte.
»Gehen Sie nicht jetzt wieder und…«
»Nein, Iris, ich werde bleiben.«
»Ach«, sagte sie nur.
»Gehen Sie ruhig – und machen Sie sich frisch. Ich werde hier auf Sie warten.«
Die Frau zögerte noch. Sie kam mir etwas verlegen vor, wie jemand, der eine Frage stellen wollte, sich aber nicht traute. Ich wußte plötzlich, was sie wollte, und holte meinen Ausweis hervor, den ich ihr zeigte. »Sind Sie jetzt zufrieden?«
Ein Lächeln machte ihr Gesicht hübscher. »Ja«, erwiderte sie, »das bin ich.«
»Und sagen Sie bitte John zu mir. Das klingt vertrauter.«
»Gern.« Sie deutete auf die Tür zum Bad. »Darf ich jetzt gehen und mich frisch machen?«
»Bitte.«
Iris verschwand im Bad, aber sie schloß die Tür nicht ganz, wie jemand, der sich ein Schlupfloch auflassen wollte. Zwar war sie ein Rätsel, aber ich ging davon aus, daß sie etwas Schreckliches hinter sich hatte. Dieser Besuch bei Mandy war nicht normal gewesen. So benahm sich kein Mensch, der jemandem einen guten Tag sagen wollte. Dank dieser Frau würde ich eine Spur finden, da war ich ganz sicher.
Ich konnte meinen Blick nicht von diesem flachen Empfänger lösen. Ein Radio. Es war eingeschaltet. Das hatte normalerweise nichts zu sagen, aber in diesem Fall mußte ich einfach mißtrauisch sein, weil Mandy mich eingeweiht hatte.
Das Radio war der Transporter zwischen dem Jenseits und dem Diesseits gewesen. So fragte ich mich jetzt, ob sich Iris Cramer mit den gleichen Experimenten beschäftigt hatte.
Von der Hand zu weisen war das nicht. Darauf konnte ich sogar wetten.
Sie kehrte zurück. Das Gesicht hatte sie gewaschen, ein wenig Rouge aufgelegt und auch die Augen leicht nachgezeichnet. Mir fiel auf, daß sie eine gutaussehende Frau war. Ihr Alter mußte so um die Dreißig liegen.
Aber sie gab sich verlegen und wußte nicht, wie sie mich ansprechen sollte. Ich nahm ihr die Scheu, in dem ich begann. »Sie haben heute schon Radio gehört, Iris?«
»Eigentlich nicht.«
»Aber es läuft.«
»Stimmt. – Hat sich wohl von allein eingeschaltet.«
Ich horchte auf und sah auch ihren zweifelnden Blick, der fragte, ob sie mir glauben konnte oder nicht. Als sie mein Nicken sah, wirkte sie erleichtert. Zudem schlug ich noch vor, daß wir uns setzten. Ich besorgte auch etwas zu trinken. In dem kleinen Kühlschrank fand ich Wasser und Apfelsaft. Ich mischte beides und stellte die beiden hohen Gläser zwischen uns.
Iris trank. Dabei schaute sie mich an. Sie prüfte noch immer, ob sie mir vertrauen konnte.
Ich fühlte mich animiert, ihr eine Erklärung zu geben. »Was immer Sie auch denken, Iris, es ist
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