Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Amber.
»Ich habe nichts mehr«, sagt sie. »Wie geht es Jason?«
»Er heißt James und mit ihm ist es aus.«
»Du Ärmste, aber weißt du, was für einen tollen Rat ich da neulich gehört habe?«
Auf den habe ich gerade noch gewartet.
»Wenn dir ein Typ den Laufpass gibt, sagst du dir einfach ›Der stand wohl nicht auf mich‹. So was in der Art hat auch Scarlett Johansson mal in einem Film gesagt. Ich finde, dann ist alles in null Komma nichts klar.«
Genau, Amber, du bist wirklich die Größte. »Danke, aber leider ist die Sache bei mir etwas komplizierter.«
»Ach was, versuch es einfach mal. Früher bin ich mit Annalex immer am Primrose Hill spazieren gegangen, und sie hat sich total in einen Hundejungen namens Gillespie verliebt.«
Und der Besitzer war ein toller Hecht in Abercrombie -Klamotten und hat dich nach zwei Dates sitzen lassen, aber du hast dir diesen Spruch aufgesagt und so weiter und so fort.
»Aber dann ist das Herrchen von Gillespie nach Brighton gezogen, und Annalex hat einen Monat lang geweint. Das war echt so traurig.«
Ich glaube, gleich bringe ich Amber um. Der Richter wird auf mildernde Umstände erkennen und einsehen, dass ich nicht anders konnte.
»Und wie ist Annalex dann damit fertig geworden, dass ihr Leben in Trümmern lag?«
»Es hat gedauert – und sie hat jede Menge Hundekuchen gefressen.«
»Amber? Das war leider das letzte Mal, dass ich mit dir gesprochen habe.«
Eigentlich wäre ich an der Reihe gewesen, Maggie einzuladen, aber den Zustand meiner Wohnung kann ich ihr nicht zumuten. Außerdem ist mir schon seit einer Weile nicht mehr nach Kochen. Genauer gesagt, seit meiner Begegnung mit Noushka in James’ Haus. Danach habe ich mich nur von Kuchen, Zigaretten und Joints ernährt und mir höchstens mal was aus einem Imbiss mitgenommen. Seit dem 31. Januar habe ich kein Obst mehr gegessen, und heute ist der 11. April.
Maggie hat mein Lieblingsgericht gemacht, armenisches Lamm mit Reis, Pinienkernen und gesäuerten Rosinen. Letztere betrachte ich als Obst. Als ich mir die dritte Portion auf den Teller lade, sieht Maggie mich besorgt an.
»Geht es dir gut?«, fragt sie leise. Hätte sie das nicht gefragt, hätte ich nicht angefangen zu weinen. Gleich darauf lasse ich die Gabel sinken und versuche, ihr zu erklären, dass ich nicht gleichzeitig essen und weinen kann.
Maggie steht auf und nimmt mich in die Arme. »Mein armer, armer Schatz.«
»Schon gut«, schniefe ich. »Ich höre gleich wieder auf, nur im Moment muss ich einfach weinen.«
Sie geht in die Küche und kommt wenig später mit einem Becher Ingwertee zurück, den sie mir hinstellt.
»Weißt du, dass mein Exmann immer gesagt hat, ich sei zu voreingenommen, hätte zu kurze Haare und würde nicht oft genug Röcke tragen?«
»Ich wusste gar nicht, dass du mal verheiratet warst.«
»Doch. Aber obwohl ich ihn verlassen habe, brauchte ich fünf Jahre, um über alles hinwegzukommen. Im ersten Jahr habe ich jeden Tag geweint.«
Sie reicht mir eine Packung Papiertaschentücher und ich zupfe eins heraus. »Aber wie kann denn eine Frau wie du wegen eines Mannes weinen, der so dummes Zeug geredet hat?«
»Siehst du, dasselbe könnte ich dich fragen. Aber wenn du klug bist, lernst du aus deinen Fehlern. Nach meiner Ehe bin ich ein anderer Mensch geworden, dafür bin ich heute noch dankbar.«
»Sag mal, hast du vielleicht auch Nachtisch?« Ich weiß, mit dieser Frage habe ich mich gerade als unhöflichster Gast aller Zeiten erwiesen.
Maggie kehrt in die Küche zurück. Ich spiele mit dem kleinen Pappschild, das an meinem Teebeutel hängt. Der kalifornische Hersteller hat sich für die Pappanhänger allerliebste Mantras ausgedacht. Meins lautet: »Allein durch deine Kraft kannst du einen Berg erklimmen.« Ich sage es ein paarmal vor mich hin. So weit ist es mit mir gekommen. Jetzt suche ich schon auf einem blöden Teebeutel-Anhänger Trost. Ist das besser oder schlimmer, als Horoskope zu lesen?
Maggie kommt mit dem Nachtisch zurück, zwei ihrer Karamellpuddings mit der sahnigen Mittelschicht, und einem Schälchen geschlagener Sahne.
Ich hole tief Luft. »Weißt du was?«, beginne ich. »Wenn ich mir meine Beziehung mit James anschaue, sehe ich ungefähr hundert Versionen.«
»Dann schau sie dir nicht an.«
»Aber wenn er meinem Selbstvertrauen nicht so geschadet hätte, hätte es mit uns beiden klappen können.«
»Was ist denn das für ein Mann, der dem Selbstvertrauen einer Frau schadet? Beziehungen
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