Süße Teilchen: Roman (German Edition)
bist rot geworden, also war das gelogen. Du findest mich also doch zu dick.«
»Nein, wirklich nicht. Sie haben eine schöne Figur.«
»Ha! Eine schöne Figur, das sagst du jetzt. Aber in einem Jahr hört sich das schon anders an. Dann sagst du, du kannst mich nicht lieben, weil ich zu dick und weiß bin und du nur dünne, schwarze Frauen magst. Deshalb bist du mit vierzig auch noch ledig. Für dich ist keine gut genug.«
»Sophie, ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
»Habe ich jemals so getan, als wäre ich größer – oder dünner – oder schwarz?«
»Entschuldigen Sie mich eine Minute.« Jack steht auf und steuert die Herrentoilette an.
Ich hole mein Handy hervor. Laura hat eine SMS geschickt. Sie fragt, wie es mit Jack läuft. »Er ist süß. Küsschen«, antworte ich und stelle fest, dass er mir jetzt, wo er weg ist, richtig gut gefällt.
Jack lässt sich Zeit. Ich beschließe, auch den zweiten Brownie zu essen. Die Gabeln sind immer noch nicht da. Wenig später sind meine Finger verschmiert und klebrig.
Die meisten Gäste sind inzwischen aufgebrochen. Genau genommen sind alle außer Jack und mir fort. Der widerliche Barmann poliert die Gläser. Wenn ich zu ihm hinschaue, grinst er in sich hinein.
Was ist eigentlich aus Jack geworden? Vielleicht sollte ich auch zur Toilette gehen und mir die Brownie-Reste von den Händen waschen.
Das blaue Lämpchen auf meinem Handy blinkt. Eine SMS. Von Jack.
Wieso von Jack?
»Tut mir leid, Sophie, aber meine Freundin hat eine Reifenpanne. Ich muss los und ihr helfen. Machen Sie es gut.«
War es vor drei Tagen, dass ich Devron sitzen gelassen habe und Jack mich sitzen gelassen hat? Wenn ja, dürften wir jetzt Freitag haben. Ich stehe an der Selbstbedienungskasse von Fletchers und versuche, eine rote Paprika einzuscannen. Ich hasse diese Art von Kasse, nie funktioniert sie. Aber an den anderen warten endlose Schlangen, und ich muss nach Hause, um zu überlegen, wann ich anfangen soll, über meine Zukunft nachzudenken. Rote Paprika hasse ich ebenfalls, aber seit Kurzem würge ich sie hinunter, denn irgendwo habe ich gelesen, dass die Einnahme von Vitamin B dem Wahnsinn entgegenwirkt. Zudem klemmt unter meinem Arm eine Ananas, die Tryptophan enthält, ein Mittel, das innere Harmonie und Wohlbefinden bewirkt. Sie ist für den Fall, dass die rote Paprika nichts bringt.
Aha, die in der Kasse eingebaute Waage ist defekt. Was jetzt? Meine Putzmittel habe ich schon eingescannt, schließlich werde ich mich bald an die Reinigung meiner Wohnung machen, glaube ich jedenfalls. Die Kasse rät mir, mich an den »Freund, der hilft« zu wenden, aber der ist nirgends oder wenn, hat er heute sein Tarnkleid an. Ich versuche die Kasse auszutricksen und drücke ein paar Tasten. Nichts. Vielleicht sollte ich die Ware einfach stehlen. Wahrscheinlich würde der Freund, der hilft, dann unverzüglich und ohne Tarnung erscheinen, woraufhin ich mir meine große Plastikflasche Toilettenreiniger schnappen und ihn mit einem Schlag außer Gefecht setzen könnte.
Ich trage einen Jogginganzug, glitzernde Pumps, ein Soul-II-Soul-Kapuzenshirt aus den Achtzigern und eine bunte Perlenkette, die Laura mir geschenkt hat. Mit der Ananas unter dem Arm könnte ich eine Cracksüchtige sein, die als Clown auf den Strich geht. Würde ich die Sachen stehlen und mein zukünftiger Ex-Arbeitgeber mich dabei erwischen, würde ich in diesem Aufzug auf einem Polizeifoto verewigt. Das kann ich mir nicht antun, so sieht Erfolg nicht aus.
Ich drücke noch ein paar Tasten und sage zweimal ziemlich laut »Scheiße«. Als Nächstes haue ich auf den Bildschirm. Immer noch nichts. Ich stecke die Karte, die mich als rabattberechtigtes Personal ausweist, in den Kassenschlitz und löse den Alarm aus. Ich flüstere der Kasse »Fotze« zu.
Plötzlich muss ich an mein drittes Date mit James denken. An dem Abend hat er der verrückten Obdachlosen einen Zwanziger geschenkt. Wahrscheinlich wollte er mir zeigen, wie überaus freundlich, mitfühlend und großzügig er ist. Ich überlege, ob es mir noch schlechter gehen könnte als in diesem Moment. O ja, durchaus, nämlich wenn plötzlich James und Noushka hinter mir stünden. Zum Glück lebt Noushka nur von in Rapsöl getränkten Wattebällchen, die sie bei Harrods kauft, diese Schande wird mir also erspart bleiben.
Ich werfe die Ananas in meinen Einkaufskorb, lasse alles stehen, kehre zu meinem Wagen zurück, setze mich hinein und stoße einen Urschrei aus. Gott sei
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