Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Dank ist niemand in der Nähe, um diesen neuerlichen Anfall von Wahnsinn zu bezeugen. Ich selbst bin mein einziger Zeuge, und ich sehe eine Frau, die den Verstand verloren hat.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder, ich begrüße Sie und euch zum Kampf des Jahres, der sich im Kopf von Sophie Klein abspielt. Heute Abend werden wir sehen, wie sie sich mit einer Reihe aberwitziger Gedanken herumschlägt. Und jetzt, Achtung, es geht los.
Ich hätte ihm noch eine Chance geben sollen.
kontra
Ich hätte mich nicht wieder auf ihn einlassen sollen.
Er hat meine Unsicherheit ausgenutzt.
kontra
Ich habe es zugelassen.
Es geht nicht um mein Gewicht, das hat er sich nur ausgedacht.
kontra
Ich bin wirklich zu dick.
Es wäre nie gut gegangen.
kontra
Wäre es doch, wenn ich alles anders gemacht hätte.
Jetzt ist der letzte Zweifel ausgeräumt. Ich bin reif für die Klapsmühle.
Seit neun Tagen habe ich heute erstmals mein Bett verlassen und daran gedacht, es frisch zu beziehen. Ich wünschte, Bettwäsche wäre wie Schaffell und würde sich im Laufe der Zeit von selbst reinigen.
Ich habe es sogar geschafft, alles abzuziehen und in die Waschmaschine zu stecken.
Später habe ich die Waschmaschine sogar angestellt. Morgen kommt die Bettwäsche in den Trockner.
Ich hatte vergessen, wie komplex die ganze Aktion ist, denn jetzt muss ich frische Bettwäsche aus dem Schrank holen und alles neu beziehen. Als es mit James und mir noch gut lief, wechselte ich die Bettwäsche täglich und richtete das Bett, als hätte ich ein Boutique-Hotel. Seit unserer Trennung brauche ich für frische Bettwäsche drei Wochen Planung und vier Tage fürs Waschen und Trocknen.
Ich lasse die Wäsche auf den Boden fallen.
Wie ist es mir jemals gelungen, die große Daunendecke allein über das Bett zu breiten?
Am schlimmsten sind die ersten beiden Stunden des Tages. Egal, ob ich um drei, um fünf oder um elf wach werde, ich denke sofort an James und Noushka und stelle mir vor, dass sie es gerade wie die Wilden miteinander treiben, und zwar auf meinem Küchentresen aus vierundneunzig Prozent Quarz. Jedes Mal ist ihr Sex hitzig und animalisch, die beiden können gar nicht genug voneinander kriegen, sie sind wie von Sinnen, denn besseren und schärferen Sex hat es auf dieser Welt nie gegeben.
Anschließend sage ich mir, dass es nie dazu gekommen wäre, wenn ich a) so dünn wie Noushka wäre und James b) am Abend der Präsentation nicht aufgefordert hätte, mit ihr weiter zu feiern.
Als Nächstes denke ich daran, wie glücklich, erfolgreich und sexhungrig James ist, und dass ich nie mehr einen Mann finden werde, der eine Frau mit Kleidergröße vierzig akzeptiert. An dem Punkt spüre ich, wie meine Gedanken mich vergiften.
Wenn ich mich aufsetzen kann, schaffe ich es in vier von zehn Fällen aus dem Bett. Wenn ich sogar aufrecht stehen kann, versuche ich, die schlimmsten Gedanken abzuschütteln. Doch es ist, als fielen sie in ein Sieb, in dem einige hängen bleiben und sich beim besten Willen nicht durch die Maschen drücken lassen. Zu ihnen gehören: Ich liebe dich nicht genug, Ich würde nicht irgendeine heiraten, ich kann dich nicht ansehen, wie du mich ansiehst.
Ich liege im Bett und denke Folgendes:
Mit fünfzehn weiß man, wo man auf der Schönheitsskala rangiert. In der Schule sieht man, dass die Jungen an Juliet Parker förmlich kleben, und es leuchtet einem ein, denn sie hat lange schlanke Beine, hellblonde Haare und tiefblaue Augen. Wenn man nicht wie sie sein kann, möchte man ihre beste Freundin werden.
Und dann sieht man Amanda Leicester, wie sie in der Bibliothek sitzt und sich ihren Büchern widmet. Sie ist dick, hat Pickel und ein zu breites Kinn. Die Jungen in der Schule bezeichnen sie als Lesbe.
Irgendwann ordnet man sich zwischen den beiden ein, hofft aber, dass man näher bei Juliet liegt. Man weiß, man wird zurechtkommen, denn für den Alltagsgebrauch ist das eigene Gesicht hübsch genug.
Den Abstand zu Juliet versucht man mit anderen Fähigkeiten zu kompensieren. Man sagt sich, dass man gut kochen kann und sich für andere Menschen interessiert, die sich ihrerseits für einen selbst interessieren. Wie die meisten in der Mitte der Schönheitsskala glaubt man, dass der Wert eines Menschen nicht nur auf Äußerlichkeiten beruht, sondern auch auf dem Wesen, dem Verstand, der Freundlichkeit, einem Hang zum Abenteuer und dem, was man für andere tut.
Dann erfährt man, dass Juliet Parker mit dreiundzwanzig Max
Weitere Kostenlose Bücher