Süße Teilchen: Roman (German Edition)
täuscht, hat Janelle es in ihrem Spionagebericht vermerkt. Ich könnte den Bus nehmen, aber andererseits habe ich nur drei Stunden Zeit, um mich aufzuhübschen, nein, eigentlich brauche ich eine komplette Rundumerneuerung. Deshalb winke ich auf der Tottenham Court Road nach einem Taxi, auch wenn ich mir das wirklich nicht leisten kann.
Am Abend zuvor habe ich meine Wohnung wenigstens halbwegs auf Vordermann gebracht. Ich steckte die Bettlaken in die Waschmaschine, versuchte, die Rezepte, Merkzettel und Zeitungen zu ordnen, die flächendeckend auf meine Wohnung verteilt waren, und saugte zum ersten Mal seit zwei Wochen.
Als Nächstes habe ich das Badezimmer aufgeräumt. Es sollte den Eindruck erwecken, als würde es von einer natürlichen Schönheit benutzt, die weder schwitzt noch jemals Körperbehaarung entfernen muss. Ich versteckte mein Make-up, meinen Rasierer und das Deodorant und ließ nur die billigste, einfachste Feuchtigkeitscreme übrig. Sie kostet gerade mal drei Pfund, ist aber ausgezeichnet.
Ich bin keine hoffnungslose Schlampe, ich bin lediglich unordentlich. Mein Bad ist immer sauber und meine Küche makellos. Die Küche ist mein liebster Raum, denn ich koche leidenschaftlich gern. Sie kommt zwar von IKEA, ist aber eins a, mit weißen Schränken, einer grauen Arbeitsfläche und blassgelben Kacheln. An der Küche musste ich nichts tun, nur – für alle Fälle – die gute Flasche Weißwein in den Kühlschrank stellen, die Maggie mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hat.
Jetzt ist es sechs Uhr vierundzwanzig, das bedeutet, ich habe noch zwei Stunden, ehe ich das Haus verlasse, um ihn zu treffen. Ich verrichte alle Prozeduren so sorgsam wie möglich. Dummerweise bin ich so nervös, dass ich mich beim Rasieren der Beine schneide. Na schön, ich bin generell ungeschickt und ungeduldig, aber außerdem gerinnt mein Blut nicht so schnell, wie es sollte, eine ärgerliche kleine Immunschwäche, die ich von meinem Vater geerbt habe. Einmal schnitt ich mich beim Rasieren der Beine, kurz bevor ich zum Eurostar musste, um in Paris an einem Pasteten-Seminar teilzunehmen. Als ich auf den Champs-Élysées ankam, war mein Schuh voller Blut. Pas très chic.
Also werde ich jetzt zwanzig Minuten lang bluten, nur dass ich keine Zeit habe, mein Bein hochzulegen und zu warten, bis es aufhört. Deshalb winde ich Klopapier um mein Fußgelenk, fixiere es mit Klebeband, föhne mir die Haare, reinige mir mit Zahnseide die Zähne und reibe mich mit Feuchtigkeitscreme ein.
Eine Minute vor acht. Ich entferne meinen Verband. Von meinem Fußgelenk tröpfelt das Blut wie aus einem lecken Wasserhahn. Aber da es draußen eisig ist, muss ich ohnehin eine Strumpfhose tragen, trotzdem kann ich sie nicht einfach über die Wunde streifen. Ich klebe zwei dicke Heftpflaster darauf und stecke eine Ersatzstrumpfhose in die Handtasche – ich werde einfach, sobald ich das Restaurant betreten habe, aufs Klo laufen, die Blutflecken abwischen und die zweite Strumpfhose anziehen … wenn das nicht sexy ist.
Zu guter Letzt schlüpfe ich in mein eng anliegendes kleines Schwarzes von Topshop und stelle entzückt fest, dass es noch nie so locker gesessen hat. Dann die allerletzten Tupfer Make-up und Parfum, im Flur kurz Raumspray mit Feigenduft versprühen, und auf geht’s.
James sitzt mit einem Gin Tonic an der Theke und unterhält sich mit dem Barmann. Als er mich sieht, lächelt er, und der Barmann mustert mich von Kopf bis Fuß. Ich habe mir Mühe gegeben – High Heels, Ohrringe, Haare glatt geföhnt. Aber vielleicht guckt der Barmann mich nur so prüfend an, weil im Restaurant kaum jüngere Frauen sind; bei sechzig Prozent der Gäste scheint es sich um schwule Männer zu handeln, der Rest ist mittleren Alters, Mode- und Medientypen, mit Fake-Brillen, Fake-Mienen und Fake-Bräune.
»Möchtest du was trinken?« James reicht mir die Getränkekarte.
»Die brauche ich nicht. Einen Old Fashioned, bitte, Maker’s Mark«, sage ich zum Barmann, der mich zustimmend anzwinkert.
James legt eine Hand auf mein Knie. »Eine Frau, die weiß, was sie will.«
»Eine Frau, die jahrelang Feldforschung betrieben hat«, sage ich. »Aber jetzt weiß ich endlich, was mir schmeckt.«
»Trinkst du nie einen anderen Cocktail?«
»Manchmal schon, aber der Old Fashioned hat alles, was ich möchte. Er ist nicht zu süß, hat die richtige Größe, und man kann nicht viel verkehrt machen.«
»Und welche Eigenschaften gefallen dir bei einem Mann?«
Ich kann
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