Süße Teilchen: Roman (German Edition)
könnte sie Shampoo-Werbung machen, sie trägt irre Patti-Smith-T-Shirts und ist superschlagfertig, aber vor allem hat sie einen noch besseren Job als ich: Kühlschrank-Managerin.
Und es ist nicht irgendein Kühlschrank. Es ist ein Kühlschrank, so groß wie eine Bahnhofsbuchhandlung. Wäre es da drinnen nicht so kalt, ich würde überlegen, in diesen Kühlschrank zu ziehen. Regale über Regale, vom Boden bis zur Decke, vollgepackt mit dem, was wir verkaufen, möglicherweise verkaufen werden und dem, was unsere Wettbewerber anbieten. Zoë bezeichnet ihn als »Eispalast«. Manchmal versuche ich, mir etwas Witziges auszudenken, das sich auf Kühlschrank reimt, aber mir fällt nie etwas ein.
Nebenan ist der Tiefkühlraum. Ich mag ja davon träumen, in Zoës Kühlschrank zu wohnen, bekomme aber Albträume, wenn ich mir vorstelle, im Tiefkühlraum eingeschlossen zu sein. Klar, in der ersten Stunde würden mich unsere fünfzehn Eiscremesorten noch trösten, aber dann würde mir bewusst, dass ich nach und nach erfriere und außer paniertem Protein (sprich: Fischstäbchen) nichts mehr zu essen habe. Kein schöner Tod.
»Wo sind die Kompotte?«, frage ich Zoë. »Ich sehe hier nur die Flammeris. Zoë, wo bist du?« Ich laufe durch den Kühlschrank, verlasse ihn dann und schaue mich suchend um. Zoë steht im Tiefkühlraum, hat Kopfhörer auf und kramt in einem Berg gefrorener Truthähne herum.
»Hast du was gesagt?«, fragt sie.
»Hat Appletree die Kompotte und Flammeris mit demselben Kurier geliefert?«
»Ja. Aber Devron hat ein neues System eingeführt. Wir sortieren jetzt alles nach den Farben der Verpackungen.«
»Wie bitte?«
»Krass, oder? Schlimmer als Bücher nach Farben zu ordnen.«
»Wie unterirdisch ist das denn? Die Verpackungsfarben hängen doch von den Früchten ab, und was, wenn sie bunt sind?«
»Reg dich ab«, sagt Zoë. »Ich habe für dich gesorgt. Gang G, drittes Regal links, da sind auch deine Eclairs. Devron überprüft die Sache diese Woche, aber dann wird er die Lust daran verlieren, und ich mache alles wieder wie vorher. Der Typ ist ja so was von bekloppt.«
Ich lege von jedem meiner Desserts zwei Packungen in eine große orangefarbene Holzkiste und schleppe sie hoch in Verkostungsraum 12.
Heute nehmen nur drei Leute an dem Meeting teil, Devron, der witzige Tom und ich. Ich lege sechzig Löffel auf den Tisch, stelle einen Stapel Pappteller dazu und drei Gläser Wasser. Dann arrangiere ich die Flammeris und Kompotte so durcheinander und farblich so wenig zusammenpassend wie nur möglich.
Anschließend warte ich auf Devron und Tom. Sie sind schon eine Viertelstunde zu spät. Keiner von beiden geht ans Telefon. Nach einer weiteren Viertelstunde kehre ich an meinen Schreibtisch zurück und treffe auf Devron und Janelle. Sie lachen über eine Webseite, auf der Ziegen Pullis tragen.
»Kommen Sie zur Phase vier?«, frage ich Devron.
Janelle schaltet sich ein. »Das Meeting musste ich auf nächsten Monat verschieben, ich habe dir gerade eine E-Mail geschickt, vor einer Minute.«
»Es geht um zwanzig Produkte, die heute freigegeben werden müssen, im Mai sollen sie in die Filialen kommen.«
»Sophie, bitte«, fällt Devron ungeduldig ein. »Vertrösten Sie die Lieferanten, schließlich machen die mit uns ein gutes Geschäft.«
»Gut.« Ich rufe meine Freunde in den einzelnen Abteilungen an und bitte sie, umgehend in Raum Nummer 12 zu kommen. Zoë macht für alle Tee und Kaffee. Wir sind zu sechst und essen Obstkompotte, Schokocreme-Kompotte und acht verschiedene Sorten Flammeri. Und dabei ahmen wir Devron nach und stöhnen vor Lachen. Ein Orgasmus ist nichts dagegen.
Als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze, blinkt das Lämpchen an meinem Handy. Eine SMS. Von James!
»Was machst du morgen?« Mein Gott, was für eine Erleichterung.
Ich weiß, ich sollte cooler sein, immerhin hat er bis Donnerstagnachmittag gewartet, um sich für Freitagabend zu verabreden, aber jetzt zählt für mich nur noch der Augenblick. Außerdem fürchte ich durchzudrehen, wenn ich ihn nicht bald wiedersehe.
Wir einigen uns auf das Dean Street Townhouse . Dort wollen wir uns um neun Uhr treffen. Allerdings weiß ich immer noch nicht, aus welchem Land er mir die SMS schreibt.
Und hätte er sich überhaupt gemeldet, wenn er nicht gesehen hätte, dass ich versucht habe, ihn zu erreichen?
Aber spielt das jetzt noch eine Rolle?
Am Freitag verlasse ich das Büro schon um Viertel vor sechs. Wenn mich nicht alles
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