Süße Teilchen: Roman (German Edition)
mich gerade noch davon abhalten zu sagen »nicht zu süß, die richtige Größe, und man …« – aber das würde billig klingen. Stattdessen gehe ich im Geist meine wesentlichen Kriterien durch. Mittlerweile blicke ich auf zwanzig Jahre Erfahrung zurück, aber unterm Strich haben sich die entscheidenden Eigenschaften eines Mannes auf vier reduziert:
Nett
Lustig
Sauber
Nicht geistesgestört
Groß, markante Nase und dichtes Haar sind Zugaben. Bisher scheint James die meisten Kriterien zu erfüllen. Ob er geistesgestört ist, kann ich nach drei Begegnungen noch nicht beurteilen. Trotzdem behalte ich die Liste mitsamt Zugaben für mich, er soll ja nicht denken, er hätte mich schon in der Hand.
»Ich halte nach jemandem Ausschau, der erwachsen ist.«
James tut, als wolle er die Flucht ergreifen.
»Und aufmerksam«, ergänze ich. »Und du, was suchst du?«
»Ich suche eine warmherzige, kluge Frau. Eine, die willensstark und einigermaßen attraktiv ist.« Er grinst.
Ich frage mich, ob »einigermaßen attraktiv« auch Dehnungsstreifen und hier und da eine Ahnung von Zellulitis einschließt?
»Würdest du mit Nigella Lawson ausgehen?« Das ist ein guter Test, um herauszufinden, wie oberflächlich ein Mann ist und ob er eine schöne Frau mit voller Figur zu schätzen weiß.
»Viel zu alt für mich.«
»Frechheit, sie ist nicht viel älter als du.«
Er zuckt die Achseln.
»Findest du sie denn nicht schön?«
»Sie ist ganz hübsch, aber das Aussehen ist ja auch nicht alles.«
Der Oberkellner winkt uns heran, und als wir aufstehen, greift James unter seinen Barhocker und überreicht mir eine Tüte.
»Ich habe dir was mitgebracht.«
»Oh, wirklich?« Überwältigt schaue ich in die Tüte und entdecke eine große Flasche Bade-Öl. Rosmarin. Aroma-Therapie. Wahrscheinlich hat er sie in einem Duty-Free-Shop erstanden. Auf dem Rückweg von wo auch immer er gewesen sein mag.
»Ich weiß, dass du Rosmarin magst«, sagt er. Ach ja? »Die Pasta, die du in dem italienischen Restaurant bestellt hast …«
Der Gute, ich liebe den Geschmack von Rosmarin, aber deswegen möchte ich noch lange nicht wie eine Hammelkeule riechen. Trotzdem, sehr umsichtig und süß von ihm.
»Das ist aber nett von dir, vielen Dank.« Ich küsse ihn rasch auf den Mund, denn für mich wird es Zeit nachzusehen, ob mein Knöchel noch blutet. Auf dem Weg zur Toilette spüre ich James’ Blick in meinem Rücken.
Dem Knöchel geht es gut, nur ein kleiner Blutfleck ist noch zu sehen. Ich ziehe meine Strumpfhose aus, tupfe ihn mit ihr ab und streife die andere über.
Als ich fünf Minuten später zurückkehre, steht eine Weinflasche auf unserem Tisch. Ein sehr ordentlicher Rotwein.
»Ein Kollege hat mir gesagt, das Restaurant hier sei berühmt für die Kartoffeln in Minz-Soße.« Ich widme mich der Speisekarte.
»Ich wusste, dass man mit dir gut ausgehen kann. Mädchen, die nichts essen, kann ich nicht ertragen.« Das sagen Männer immer. Meistens ist es Stuss. Tatsächlich meinen sie: »Ich mag keine Frauen, die nicht essen, aber sie sollen auch nicht aussehen, als würden sie essen.« Es sind dieselben Männer, die sagen: »Ich mag natürlich aussehende Frauen« und dabei solche meinen, die Grundierung, Make-up, Puder, Rouge, Lidstrich und zweimal Wimperntusche auftragen.
»Lass aber noch Platz für die Königin der Nachspeisen, die soll einfach traumhaft sein«, sage ich.
»Ich dachte, du bist die Königin der Nachspeisen«, sagt er und lächelt.
»Schön wär’s, aber ich stehe noch am Anfang.«
»Muss trotzdem ein toller Beruf sein. Wahrscheinlich verdrückst du den ganzen Tag lang Süßigkeiten.«
»O nein, so einfach ist das nicht. Man muss sich neue Konzepte ausdenken, den Markt beobachten, Trends entdecken, die Lieferanten instruieren, ausrechnen, ob die Zutaten sich mit dem Budget vertragen, ganz zu schweigen von den makrobiotischen Aspekten, dem Lebensmittelgesetz, der Haltbarkeit, Verpackung und Stabilität während des Transports.«
»Aber im Grunde wirst du fürs Naschen bezahlt.« Er stößt mit mir an, als wolle er mir gratulieren.
»Jedenfalls backe ich manchmal den ganzen Tag lang Kuchen.«
»Bei der Arbeit?«
»Ja, es ist eben ein prima Job.«
»Lackierst du dir deshalb nicht die Nägel?« Es klingt, als würde mir ein Finger fehlen, als wäre er bisher nur zu höflich gewesen, mich darauf anzusprechen, brenne jetzt aber darauf, die Geschichte zu hören, die sich dahinter verbarg – hatte ihn ein Eichhörnchen
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