Süße Teilchen: Roman (German Edition)
leerer weißer Pappbecher, dabei ist sie doch sicher für einen Champagnerkelch gedacht.
Aber das mag ich an James so sehr: Er ist nicht penibel, sondern vielmehr sorglos, oder sogar achtlos. Am College hatte ich einen Freund, dem ich in einem Autobahnrestaurant mal ein Glas Orangensaft reichte und dabei aus Versehen gegen seine Ray-Ban-Sonnenbrille stieß. Sie fiel zu Boden, und er bekam einen Tobsuchtsanfall, der gefühlte drei Tage dauerte. Ich hasse Leute, die ein Markenprodukt, das massenweise vertrieben wird, wie ein Familienerbstück behandeln, schließlich sind es nur banale Gegenstände, die kaum der Rede wert sind.
»Was hat es mit dem Wagen auf sich?«, frage ich und versuche, unbeeindruckt zu wirken.
»Ach, das ist ein neues Spielzeug, das ich mir zugelegt habe. Die Bonders haben sich mit fünfundzwanzig Prozent an meinem Geschäft beteiligt. Ab und zu braucht ein Mann so was.«
»Wie viel haben sie dir denn gegeben?« Es ist eine aufdringliche Frage, aber ich möchte herausfinden, wie todschick dieser Wagen ist.
»Drei.«
»Dreihunderttausend Pfund?« Bei fünfundzwanzig Prozent wäre das ein Geschäft im Wert von einer Million und zweihunderttausend Pfund. Nicht schlecht für den Verkauf von Socken.
Und sein Haus in Camden, von dem er mir erzählt hat, dürfte auch eine Million wert sein. Mindestens.
James lacht. »Du bist süß. Häng noch eine Null dran.«
Oh. O, mein Gott.
Wir fahren zum Curzon-Kino in Soho. Ich bin sprachlos. Dieser Mann hat wirklich Geld.
Im ersten Moment dachte ich: Meine Güte, ich habe einen Prinzen gefunden, den letzten gut aussehenden, noch nicht glatzköpfigen Multimillionär in London. Das ist wie ein Lottogewinn, und der kommt schließlich nur in einem von zwölf Millionen Fällen vor.
Aber gleich darauf machte ich mir die ersten Sorgen, und sämtliche Alarmglocken, die ich auf stumm gestellt hatte, fingen an zu läuten:
Wenn jemand so viel Geld hat, spielt er nicht in meiner Liga.
Wenn jemand so viel Geld hat, kann er machen, was er will. Und wann er will. Ohne sich um die Folgen zu scheren.
So viel Geld steigt einem Menschen zu Kopf, denn es bedeutet Macht.
An so viel Geld kommt man nur, wenn man rücksichtslos ist und knallhart seinen Weg geht.
Jemand, der so viel Geld hat, zieht andere Menschen an. Männer wie Frauen, aber vor allem Frauen. Frauen, die diesem Jemand keinen zweiten Blick schenken würden, wenn er ein normales Einkommen hätte. Frauen, die für Wolford modeln.
Ich bin heilfroh, dass ich nicht schon am ersten Abend von seinem Reichtum gewusst habe. Ich wünschte, ich wüsste noch immer nichts davon.
Aber möglicherweise gehört ihm das Sockenunternehmen gar nicht allein, vielleicht sind sein Vater und sein Bruder zur Hälfte beteiligt.
»Mach doch ein bisschen Musik«, bitte ich und streiche über sein dichtes dunkles Haar. Er hat wirklich gute Gene. Ich hoffe, wenn wir Kinder bekommen, erben sie sein glattes glänzendes Haar und nicht meine Krussellocken.
James fummelt an seinem CD-Spieler herum. Fetzen der reinsten Höllenmusik dringen an meine Ohren: Dido, Flo Rida, beschissene Vocoder-Musik, stampfende Rhythmen, wie man sie aus Fitnessstudios kennt.
»Hast du nichts Besseres?«
James tippt auf den Vorlauf, bis ein Stück von Sam Cook erklingt.
»Das war deine Rettung«, sage ich.
Vor uns staut sich der Verkehr. Mit einem Mal schert James nach links aus und fährt auf der Busspur weiter.
»Die ist für den Bus«, sage ich.
»Ja und?«
»Rund um die Uhr.«
»Ja und?«
»Was, wenn sie dich schnappen?«
»Mir egal.«
»Meinst du, nur weil du eine Krone auf dem Lenkrad hast, kannst du dich wie jemand aus dem Königshaus benehmen?«
»Schätzchen, das ist ein Dreizack.«
»Was ist mit den Leuten, die Bus fahren? Die Spuren sind doch nicht umsonst da.«
»Ich halte niemanden auf.«
»Wenn ich hinter dir im Bus führe, würde ich denken, du wärst ein Idiot.«
»Aber du fährst nicht hinter mir im Bus. Du sitzt in meinem Wagen.«
James hat Karten für den Film Antichrist gekauft, denn er dachte, ein Arthaus-Film würde mir gefallen. Im Kino ist es sehr warm. Mitten im Film schläft James ein. Ab und zu stupse ich ihn an, aber er wirkt so friedlich, dass ich ihn schließlich in Ruhe lasse. Obwohl ich den Rest des Films auch ganz gern verschlafen würde.
Als der Abspann beginnt, wecke ich ihn. »Du hast einiges versäumt«, sage ich. »Zum Beispiel, wie seine Frau ihm durchs Bein gebohrt und ihm einen runtergeholt hat und
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