Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Blätterteig, zu der es in Gänsefett gebratene Kartoffeln und eine schwere Käsesoße gibt. Das Essen wird ihm nicht bekommen, aber was soll ich dazu sagen? Er ist schließlich fünfundvierzig und ein erwachsener Mann.
Zwei Stunden später sind wir wieder in unserem Ferienhaus in einem der Badezimmer. James beugt sich über die Kloschüssel und zittert am ganzen Leib.
Ich zwinge ihn, Wasser zu trinken und tupfe seine Stirn mit einem feuchten Handtuch ab. »Jetzt weißt du, wie sich die arme Gans gefühlt hat, deren Leber du gegessen hast.« Ich streiche ihm das verschwitzte Haar aus der Stirn.
James lehnt seinen Kopf an mein Bein. »Wirst du immer so geduldig mit mir sein?«
»Immer. Wenn du dich morgen nicht besser fühlst, lassen wir das Essen im El Bulli ausfallen.« Und das meine ich auch so.
James sieht mich erstaunt und dankbar an.
»Morgen geht es mir besser, das verspreche ich dir.«
Ich glaube, im El Bulli wäre jeder Mensch, der auf diesem Planeten lebt, glücklich.
Dieses Gefühl liegt dort einfach in der Luft, erst recht draußen auf der Terrasse, wo es nach Pinien und Eukalyptus riecht. Man spürt die Erregung der wenigen Auserwählten, die sich auf diesem heiligen Boden befinden.
James und ich sitzen an einem Tisch auf der Steinterrasse, mit Blick auf den Strand. Als die Sonne untergeht, färbt sich das Meer rötlich und wird langsam zu einem dunklen Strich. Sechsunddreißig Gänge werden uns serviert, einer sensationeller als der andere.
So um den zwanzigsten Gang herum reicht man uns eine Schale mit Mandeln. Einige sind richtige Mandeln, andere aus Sesamkörnern geformt. Wieder andere sind weiß und schmecken intensiv nach Kirsche, aber die richtigen Mandeln sind einfach die besten, die ich je gegessen habe.
Beim dreiunddreißigsten Gang handelt es sich um ein riesengroßes weißes Ei, das ein kleiner Dinosaurier gelegt zu haben scheint. Dazu gibt es eine winzige Streudose Curry. Die Kellnerin schlägt das Ei auf, und wir stellen fest, dass es aus gefrorenem Kokosfleisch besteht, und lachen begeistert.
Die Pralinen, die zum Schluss zum Kaffee angeboten werden, sind den Preis des gesamten Menüs wert. Sie werden in einer Art Schmuckkästchen angeboten, wie es sich kleine Mädchen für Prinzessinnen vorstellen, und sind die außergewöhnlichsten Kreationen. Nach fünf Minuten versucht die Kellnerin, uns die Schachtel zu entwinden, denn ich fürchte, wir sind an dem Abend die einzigen Gäste, die darauf bestehen, von allem zu kosten.
Insgesamt ist es ein einzigartiges Erlebnis, ein Fest der Sinne und der Phantasie, gepaart mit höchstem Können. Doch während ich die erlesenen Gerichte genieße, denke ich mit leiser Angst, James könnte einen Herzinfarkt bekommen. Und manchmal wünsche ich mir, wir säßen vor dem Haus von Lucien Bonder im Schatten und würden Aprikosen essen.
Am nächsten Tag werde ich am Flughafen von Perpignan zur Seite gewinkt und muss meine Reisetasche öffnen.
Eine Dame aus der Röntgentruppe entdeckt mein Glas Aprikosenmarmelade und droht mir mit dem Zeigefinger.
»Das ist Nahrung«, erkläre ich. »Keine Flüssigkeit.«
»Non. Das sind dreihundert Milliliter. Das ist nicht erlaubt.«
»Ich dachte, nur Flüssiges sei verboten.«
»Non. In den Abfalleimer. Dort.«
Ich habe die Marmelade nicht einmal gekostet und finde, sie wegzuwerfen ist reine Verschwendung. »Vous voulez?« Ich halte ihr das Glas hin.
Sie schüttelt den Kopf, als hätte ich ihr ein Glas schimmeliger Mayonnaise angeboten.
Ich nehme an, sie will mir zeigen, wer hier der Chef ist. Ich drehe mich zu James um und raune: »Beim nächsten Mal nehme ich ein Sandwich mit Erdnussbutter, Gelee und Sprengstoff mit.«
Ich überlege, ob ich einen Aufstand machen soll, aber dazu reicht mein Französisch nicht aus, außerdem hat das Glas ja nur vier Euro gekostet, aber trotzdem, es ist eine Frage des Prinzips. Erstens handelt es sich nicht um eine Flüssigkeit, zweitens stammt die Marmelade aus diesem Land, was drittens heißt, dass ich die Wirtschaft unterstützt habe, und viertens, dass diese Leute dafür nicht einmal dankbar sind.
James beobachtet, wie ich nach einem Einwand suche. Er tritt näher und berührt den Arm der eisernen Lady. Nach einem Blick zu mir beugt er sich zu ihr und spricht leise auf sie ein. Sie nickt, zieht die Augenbrauen hoch, wirkt peinlich berührt. Schließlich hebt sie die Hände, lacht, dreht sich um und entschuldigt sich bei mir.
Mein Freund ist ein Genie. Er weiß, wann
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