Süße Teilchen: Roman (German Edition)
hineinzustechen, sodass ich den Hut mit einer Schleife unter dem Kinn verknoten kann.
»Niedlicher Hut«, sagt James. »Dann mal los.«
Es wird eine grauenhafte Party. Einen so schrecklichen Abend habe ich mit James bisher nur erlebt, als er seinen Anfall hatte und als seine neue Strumpfhosenmarke präsentiert wurde.
James unterhält sich so ewig lang mit Rob, dass ich auf Lenas Gesellschaft angewiesen bin. Im Vergleich zu ihr wirkt Amber wie Susan Sontag. Die Freundinnen von Robs Bekannten sind alle stark geschminkte, frühere Schönheitsköniginnen aus irgendwelchen Vororten. Ihre Gespräche drehen sich um Handtaschen, Fitnessstudios oder die luxuriösen Wellness-Hotels in Asien, in die ihre Freunde sie zu Weihnachten eingeladen haben.
James taxiert eine junge Frau an der Bar, die mich ein wenig an Noushka erinnert, sie hat endlos wirkende Beine und langes brünettes Haar. Er macht Rob auf sie aufmerksam, woraufhin die beiden grinsen und Rob James in die Seite boxt. Als James sieht, dass ich sie beobachte, steigt mir die Schamesröte ins Gesicht, und ich laufe nach unten zur Damentoilette, um mein Aussehen zu überprüfen.
Als ich zurückkomme, ist James verschwunden. Auch die Brünette kann ich nirgends mehr entdecken. Ich lasse meinen Blick schweifen. Nichts. Ich gehe wieder nach unten und schaue mich dort nach ihnen um. Mein Herz fängt an zu rasen. Ich klappere sämtliche Damentoiletten ab, aber auch da ist Noushka Nummer zwei nicht zu finden. Zu guter Letzt kehre ich zu der Party zurück. James steht bei Rob und flüstert ihm etwas ins Ohr. Gleich darauf erscheint auch die Brünette wieder. James wirft ihr einen Blick zu und lächelt in sich hinein. Mir wird schlecht.
Wie eine Flutwelle überrollen mich all die Begebenheiten, die ich seit unserer kurzen Trennung im Mai verdrängt habe: James’ Bemerkung, dass er nicht irgendeine heiraten würde. Die Sache mit dem dicken Klops an meinem Geburtstag. Die Art, wie er Noushka am Abend der Präsentation angestarrt hat, seine Körpersprache neulich in seinem Wagen. Und wie er diese Frau eben gemustert hat. Ich bin paranoid, das weiß ich, in dem Punkt ist mir nicht zu helfen, aber all das, was mir gerade wieder eingefallen ist, hat stattgefunden und ist wahr.
Ich gehe zu James und sage ihm, dass ich mich nicht wohlfühle und deshalb lieber nach Hause fahre.
Dann stürze ich die Treppe hinunter zur Garderobe, schnappe mir meinen Mantel, verlasse die Party und versuche, draußen auf der Portobello Road ein Taxi zu finden.
Plötzlich steht James neben mir und packt meinen Arm.
»Alles in Ordnung?«, erkundigt er sich.
»Nein.«
»Was hast du denn?«, fragt er beunruhigt.
Ich will diesen Mann.
Ich sehne mich so sehr nach ihm, dass es beinah wehtut.
Aber so kann ich nicht länger leben, ich kriege ja kaum noch Luft zum Atmen.
»Ich glaub, ich kann das nicht mehr. Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein, das schaffe ich nicht mehr.«
James wirkt perplex. Dann besorgt. Diese Situation hat er nicht im Griff. Er öffnet den Mund, als wollte er etwas sagen, und schließt ihn wieder.
»Ich verstehe dich nicht«, spreche ich weiter. »Du bittest mich, bei dir einzuziehen, und dann sagst du mir Dinge, nach denen ich mich entsetzlich fühle. Ich muss nicht mit dir zusammen sein, weißt du. Ich kann gehen.«
»Was soll denn das heißen?«, fragt er verdattert.
»Nick hat mir das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein, aber bei dir fühle ich mich immer nur unsicher. Ich weiß ja nicht mal, ob du mich überhaupt zur Freundin haben willst.«
Eine gefühlte Ewigkeit lang sieht er mich an. Was ich darum gäbe zu wissen, welche verwickelten Gedanken gerade durch seinen verkorksten Kopf gehen.
»Nein«, sagt er schließlich. Ich schlucke krampfhaft und nicke. Ich hatte also recht. Ich habe verloren. Und daran kann ich jetzt auch nichts mehr ändern. James umfasst meine Hand. Ich versuche, sie ihm zu entwinden. »Sophie.«
»Komm mir jetzt bloß nicht von oben herab, und sag, du hättest mich gern, aber ich hätte einen Besseren als dich verdient.«
»Jetzt warte doch erst –«
»– oder wie angenehm meine Gesellschaft sei.«
»Jetzt halt doch mal den Mund, Sophie. Ich möchte nicht, dass du meine Freundin bist.«
»Schon kapiert, brauchst du nicht noch mal zu sagen.«
»Könntest du bitte mal still sein? Ich will nicht, dass du meine Freundin bist. Ich möchte, dass du meine Frau wirst.«
Ein merkwürdiger Heiratsantrag.
Irgendetwas passt da nicht
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