Süße Teilchen: Roman (German Edition)
bekommen, wirst du über sechzig sein, wenn sie Teenager sind. Auf der Party zu Jasmin-Jaydes achtzehntem Geburtstag wirst du siebzig sein und beim Anblick der anderen Mädchen sabbern. Sie werden dich für den Großvater unserer Tochter halten. Wahrscheinlich sitzt du dann in einem Rollstuhl von Maserati, und ich ertappe dich dabei, wie du versuchst, ihre Schulfreundinnen zu begrabschen. Deshalb erzähl mir nichts von meinem Alter, du gemeiner alter Sack.«
»Ha! Ich habe einen Nerv getroffen. In jungen Jahren hast du nie so giftig reagiert.«
Ich umfasse sein Kinn. »Halt den Mund und küss mich, solange du noch Zähne hast.«
Wir küssen uns, lächeln uns an, küssen uns. Eigentlich steht mir der Sinn nicht nach Sex, dazu habe ich zu viel gegessen und getrunken, aber ich wuchte mich auf ihn, nur um sein attraktives Gesicht vor mir zu sehen.
»O nein, du dicker Klops«, sagt James. »Geh bloß von mir runter.«
In den nächsten Tagen sage ich mir immer wieder, dass sein Tonfall dabei spielerisch oder liebevoll war und der Druck meines Gewichts zu groß, weil er zu viel gegessen hatte, aber ich weiß, dass das nicht stimmt.
»Was machst du am 3. Dezember?«, fragt James.
»Am kommenden Samstag? Ich dachte, da machen wir etwas zusammen.«
»Rob und Lena haben uns zu einer Kostümparty im Electric eingeladen. Das Motto heißt ›Geistliche und heiße Torten‹. Fällt dir dazu was ein?«
»Im Moment noch nicht.«
Ich denke an Rob und Lena und die wenigen Male, die wir uns auf einen Drink mit ihnen getroffen haben. Die beiden Männer haben sich jedesmal über Geld und Fußball unterhalten, während Lena mir erzählte, wie oft Rob und sie sich eine kleine Auszeit im Four Seasons gönnen und wie sie dort einmal Danielle Lloyd gesehen hat, die das gleiche Kleid von Cavalli anhatte wie sie.
Bei den Freunden der beiden dürfte es sich um schnöselige Banker und untergewichtige junge Frauen handeln. Die Frauen werden unechte Brüste haben und in Fulham wohnen, in der Hoffnung, eines Tages an eine Wohnung in Chelsea zu gelangen.
»Ich könnte als Himbeertörtchen gehen«, schlage ich vor. »Du kannst ja auch als Gebäck gehen, dann steh ich nicht wie ein Idiot da.«
»Was für ein Gebäck?«
»Hm. Als Flammeri? Nein, vielleicht doch lieber als Blätterteig, das würde zu deinen vielen Schichten passen. Außen zuckersüß, darunter etwas Faseriges, dann etwas Weiches. Dann kommt das Knusprige und zum Schluss der harte Boden.«
»Ich kann dir was Hartes zeigen, wenn du als richtig heiße Torte gehst. Komm schon, Sophie, nur ein einziges Mal – Strapse, kurzes Gummikleid, schenkelhohe Stiefel, kein Slip. Bitte.«
»Ist nicht mein Stil.«
Am Samstagabend sitze ich vor dem Spiegel, schminke mich und spüre, dass James mir dabei zusieht.
»Bei dir ist ein Auge größer als das andere«, stellt er fest.
Ich selbst habe diese Unregelmäßigkeit erst kürzlich auf den Fotos entdeckt, die Laura in Argentinien von mir gemacht hat. Es ist kaum zu sehen, aber James hat es gesehen und muss es prompt kommentieren und mir das Gefühl geben, unzulänglich zu sein. Er hätte ja auch sagen können, dass mich dieser kleine Makel zu etwas Besonderem macht, dass es etwas ist, das er charmant und reizend findet.
»Na und?«, sage ich. »Bitte, gib mir mal mein Kostüm.«
Er hält es mir hin und verzieht das Gesicht. Es ist eine Hülle aus rotem Schaumstoff, die ich über meine schwarze Spitzenunterwäsche streife. Als ich mich im Spiegel betrachte, finde ich mich klobig.
James scheine ich auch nicht zu gefallen, das sehe ich ihm an. Eigentlich will ich nicht klein beigeben und am Abend wie eine Nutte herumlaufen, aber dann gebe ich mich geschlagen, lege das Kostüm wieder ab und ziehe stattdessen mein engstes und kürzestes Kleid an. Dazu nehme ich eine glänzende blaue Handtasche aus Kunstleder, die ich mit fünfzehn gekauft habe. Ich lege scharlachroten Lippenstift auf und schlüpfe in meine unbequemsten, spitzesten Schuhe mit dem höchsten Stöckelabsatz.
»Sieht hübsch aus«, sagt James.
»Aber auf meinen Hut werde ich nicht verzichten.« Ich setze den Hut auf, den Will für mich hat anfertigen lassen, eine Riesenhimbeere aus Zuckerguss, die bei höchster Temperatur gebacken wurde und jetzt steinhart ist. Will, der Gute, hat seinen für die Hochzeitstorten zuständigen Konditor beschwatzt, einen weichen Plastikrand daran zu befestigen, der wie ein Biskuitboden aussieht, und zwei Löcher für die Bänder
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