Süße Teilchen: Roman (German Edition)
sich ein paar Gedanken gemacht hat. Und wie gut, dass er es nie geschafft hat, Ringe zu kaufen. So muss ich auch keinen ablegen und die ganze Scheiße auch noch meinen Kollegen erklären.
Auf der Tafel mit den Abflugzeiten steht, dass sich mein Flug verspäten wird. Typisch. Ein paar Schneeflocken und schon steht in London alles still. Ich frage mich, was James gerade macht. Sein Wagen hat keine Winterreifen. Wahrscheinlich liegt er im Bett, denn in London ist es schon nach Mitternacht. Ich hoffe, es geht ihm gut. Verdammt, ich muss eine rauchen. Dummerweise sind meine Zigaretten im Koffer. Zum Duty-free-Shop mag ich noch nicht gehen. Wer weiß, wie lange die Verspätung dauert.
Ich suche die Raucherecke in der Halle. Dort stehen zwei junge Männer, reden und lachen. Jeder von ihnen zieht an einer Zigarette, die er zwischen Daumen und Zeigefinger hält.
Ich frage, ob sie eine Fluppe für mich hätten. Sie finden das Wort »Fluppe« wahnsinnig komisch und geben mir eine. Gleich darauf unterhalten wir uns zu dritt und schäkern ein bisschen. Sie ziehen ihre T-Shirts hoch und zeigen mir stolz ihre Tattoos.
Ich hatte ganz vergessen, dass es Männer gibt, denen ich gefalle. Aber jetzt stehe ich bei zwei scharfen Typen und amüsiere mich großartig. Billy ist der Schärfere von beiden. Er ist neunundzwanzig und kommt aus Seattle. Ein toller, leicht irrer Typ, der Metallverkleidungen verkauft, die Hälfte des Jahres auf dem Snowboard verbringt und Kung-Fu-Filme liebt. Auf seinem Bauch ist ein Riesentattoo: ein Schädel mit Wikinger-Helm. Anstelle des einen Auges sieht man eine Rakete.
Es dauert nicht lang, und wir benehmen uns alle drei unmöglich. Nach einer Weile gehen Billy, Eli und ich in die Flughafenbar. Billy sagt, mein Lächeln würde nicht nur einen Raum, sondern einen ganzen Laufsteg zum Leuchten bringen. Er kann nicht fassen, dass irgendein Idiot, und dann auch noch ein alter, meine Figur bemängelt hat, denn ich sei eine Wucht, die er sofort schwängern würde, ich müsse ihm nur sagen, ob es mir auf dem Parkplatz oder auf der Damentoilette lieber wäre. Eli zeigt mir noch einmal seine Tätowierung, die noch grotesker ist als die von Billy. Wir trinken Wodka Tonic. Eli lädt mich ein, mit ihnen nach Seattle zu fliegen und bei ihnen zu wohnen. Ich schlage vor, dass sie mit mir nach London kommen.
»Geht leider nicht«, antwortet Eli. »Ich habe keinen Pass.«
Ich frage: »Hat den die Polizei kassiert?«
»Exakt«, sagt Eli. »Ich habe eine Zeit lang gesessen.« Die beiden schauen sich an und lachen.
»Weswegen?«, erkundige ich mich.
»Ich will dich nicht schockieren.«
»Hast du einer Frau etwas angetan?«
»Würde ich nie im Leben machen.«
»Dann kannst du es mir ja erzählen.«
»Ich sage nur, jemand wurde in Brand gesteckt und hat sich eine Kugel eingefangen.«
»Aber dieser Jemand warst nicht du.«
»Korrekt.«
»Ist er tot?«
»Nein, aber er wünscht, er wäre es.«
»Und was hat er dir getan?«
»Mich beklaut«, erwidert Eli sachlich. »Siehst du, jetzt bist du doch schockiert.«
Ich bin froh, dass Billy mir besser gefällt.
Ich werfe einen Blick auf den Bildschirm mit den Abflugzeiten. Mein Flug geht erst um halb elf.
»Scheiße«, sage ich.
»Was ist denn, Baby?« Billy streicht mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich deute auf den Bildschirm. »Also gibt es noch Hoffnung«, sagt er. »Unser Flug geht jetzt auch erst um elf. Wir haben genug Zeit, um es auf dem Parkplatz und in der Damentoilette zu treiben.«
»Wie romantisch. Wenn ich das später unseren Enkelkindern erzähle. Beim ersten Mal habe ich mit eurem Opa in der Flughafentoilette gevögelt.«
»Ich liebe deine Ausdrucksweise«, sagt Billy.
»Warte noch zehn Minuten, und es wird noch schlimmer.«
Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. So rede ich sonst nie. Aber jetzt war ich fünf Tage lang nur mit Lenny und meiner Mutter zusammen und habe in der Zeit mit kaum einem anderen Menschen gesprochen, schon gar nicht mit einem Mann. Mir ist, als wäre ich ein Hund, den man nach einer langen Fahrt endlich aus dem Auto lässt.
»Eli, ich liebe diese Frau«, verkündet Billy. »Ich will sie heiraten.« Er küsst meinen Hals. »Komm, Baby, lass uns nach Vegas fahren und Ringe tauschen.«
Ich schätze, sein Antrag ist so ernst gemeint wie der, den ich vor einem Monat bekommen habe. Und wer weiß, vielleicht würde es mit Billy und mir ja sogar klappen. Schließlich hat er mir in einer Dreiviertelstunde mehr Komplimente
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