Süße Teilchen: Roman (German Edition)
wiederzugeben.
Aber auch K. Dobbs weiß offenbar, was Herzschmerz ist. Sie nahm uns mit in den Pausenraum und schenkte uns Tee mit einem Schuss Whisky ein. Danach setzten meine beiden neuen Freundinnen mich in ein Taxi und schickten mich mit meinen elf Rollen Klopapier auf dem Schoß nach Hause.
Die Stadt muss ich verlassen, weil ich die Schlüssel zu einem neuen Zuhause habe, in dem eine brandneue Küche steht und in dem meine Träume wahr werden sollten. Was jetzt nicht mehr geschehen wird.
Ich denke an Lieder, in denen es um gebrochene Herzen geht. Hat nicht Whitney Houston mal etwas darüber gesungen?
Aber wenn es um Beziehungen geht, sollte man wohl besser nicht auf sie hören.
Ich habe fünf freie Tage. Mit denen muss ich etwas Schönes anfangen. Etwas, das meine Laune hebt.
Ich könnte einen Berg besteigen, einen Kurs im Kitesurfen machen, lernen, wie man mit Haien schwimmt. Ich könnte in Indien in ein Ayurveda-Hotel gehen, meditieren, eine neue Sichtweise gewinnen, eine Lebensmittelvergiftung kriegen und richtig dünn werden.
Oder doch lieber etwas, das mir Angst einjagt?
Ich liebe meine Mutter, sogar von ganzem Herzen. Wenn ich in London bin, fehlt sie mir und ich mache mir Sorgen um sie. Manchmal schickt sie mir E-Mails mit Witzen, die so unverfänglich sind, dass ich sie während der Arbeit auf meinem Büro-Computer lesen kann, dann wieder mailt sie Rezepte oder Fotos von ihr und einem gebeutelt aussehenden Lenny.
Aber als Ferienziel hätte ich mir vielleicht doch etwas anderes aussuchen sollen.
An Silvester habe ich zwei Diazepam aus dem Vorrat meiner Großmutter genommen, sie mit einer Tasse Tee geschluckt und bin um neun Uhr abends zu Bett gegangen. Ich wollte nirgendwohin, warum hätte ich anderen Leuten den Abend verderben sollen.
An Neujahr nahm ich ein Taxi zum Flughafen, stieg in ein Flugzeug, warf noch zwei Diazepam ein und landete elf Stunden später in Kalifornien, wo Träume wahr werden können. Was ich nicht hoffe, denn in der Nacht vor meinem Flug träumte ich von James. Er wohnte in einem goldenen Schloss, zusammen mit einer bulgarischen Nutte, die wie die letzte Geliebte von Mel Gibson aussah. Als ich mit James reden wollte, sagte er, mein Gesicht sage ihm zwar was, aber richtig zuordnen könne er es nicht.
Jetzt bin ich seit vier Tagen in Kalifornien. Morgen Abend fliege ich zurück. Für so kurze Zeit herzukommen, war dumm, aber ich musste irgendwohin und hatte es nicht vernünftig durchdacht.
Als ich mich von Nick trennte, hatte ich das Gefühl, dass meine Mutter ihn gern als Familienmitglied behalten und dafür auf mich verzichtet hätte.
»Was hast du diesem armen Jungen angetan?«, fragte sie ein ums andere Mal. Und ganz gleich, wie ich es ihr erklärte, sie blieb der Meinung, dass ich einen Riesenfehler begangen und das Beste, was mir je widerfahren war, zerstört hatte.
Deshalb habe ich ihr von James nichts erzählt. Außerdem möchte ich seinen Namen nicht aussprechen. Würde ich meiner Mutter mein Herz ausschütten, würde sie sagen, dass er ohnehin viel zu alt für mich war und wie ich dazu käme, mich mit einem Pädophilen einzulassen. Oder sie würde ihm recht geben und sagen, um die Hüften sei ich tatsächlich zu dick.
Ich hatte angenommen, mein Bruder und Shellii wären in Kalifornien und ich könnte meine Nichte kennenlernen, aber Shellii brauchte postnatale Erholung und war mit Mann und Kind in einem aberwitzig teuren Wellness-Hotel in Arizona, in dem es ausschließlich Rohkost gibt. Folglich war ich nur mit meiner Mutter und Lenny zusammen.
Seither bin ich jeden Morgen um sieben Uhr aufgewacht, habe mich umgedreht und bis mittags weitergeschlafen. Zum Mittagessen knabbere ich an einem halben Bagel, der vom Frühstück übrig geblieben ist. Anschließend setze ich mich für ein, zwei Stunden an den Pool und lese die Los Angeles Times , einschließlich der Sonderangebote. Die beste Schlagzeile bisher lautete »Meerschweinchen – weder Schweinchen noch aus dem Meer«.
Danach jogge ich hinunter zum Jacht-Klub, überhole Power-Walker mit Power-Walker-Hunden und bewundere die Weihnachtsdekoration an den Häusern. Es gibt Elfen und Elvis, ein Meter achtzig große Feen, Pinguine, Engel und von innen erleuchtete Weihnachtsmänner, die größer sind als James. Verdammt. Größer als ein großer Mann, meine ich.
Nach dem Laufen gehe ich zu Ralphs , meinem Lieblingssupermarkt in Amerika. Ich liebe den Geruch dieses Ladens ebenso sehr wie den nach frisch
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