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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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gesehen.«
    Stattdessen murmele ich nur »Arschloch«, aber doch so laut, dass er es hören kann.
    Interessant. Ich glaube, in Kürze wird aus meiner passiven Aggression aggressive Aggression werden.
    Ich hoffe, Devron ist in der Nähe, wenn es so weit ist.
    »Sadie Klein?«, fragt Dr. Salter. »1953 geboren?«
    »Nein, Sophie Klein, 1976 geboren. Nicht mit Sadie Klein verwandt.«
    Sie mustert mich.
    »Und wie kann ich Ihnen helfen?«
    Ich fange hemmungslos an zu weinen. Langweilig, ich weiß. Hastig zupfe ich ein Papiertaschentuch aus der Schachtel auf Dr. Salters Schreibtisch. Und gleich noch eins, für alle Fälle.
    Dann erzähle ich ihr die Kurzfassung meiner Geschichte. Inzwischen habe ich mehrere Varianten: die Fünf-Minuten-Fassung für Fremde im Bus, zwanzig Minuten für Freunde, die ich seit meiner Trennung von James nicht mehr gesehen habe, und die Kinoversion für den Fall, dass ich auf einen Regisseur stoße.
    Dr. Salter kaut am Ende ihres Kugelschreibers. »Die Dinge, die dieser Mann zu Ihnen gesagt hat, werden Sie doch wohl nicht ernst nehmen, oder?«
    Ich schniefe. »Doch.«
    »Obwohl sein Verhalten mehr über ihn aussagt als über Sie? An Ihrer Figur ist nichts auszusetzen. Mir scheint, dieser Mann hat eine Menge Probleme, die er auf andere projiziert. Legt er denn übergroßen Wert auf seine eigene Figur?«
    »Nein, nur bei Frauen.«
    »Haben Sie schon mal daran gedacht, sich selbst zu verletzen?« Dr. Salter schaut auf ihren PC. Wahrscheinlich liest sie da ihre Fragen ab.
    »Nie. Meine Mutter würde mich umbringen.«
    Sie lacht, obwohl ich meine Antwort überhaupt nicht lustig finde.
    »Schön, aber Antidepressiva sind auf lange Sicht keine Lösung.«
    »Die möchte ich ja auch nicht, ich mache mir nur Sorgen um meinen Job.«
    Der Gedanke an Antidepressiva ist mir eigentlich total zuwider. Ich möchte keine Vierunddreißigjährige sein, die Tabletten schlucken muss, um mit einer Trennung fertig zu werden. Ich möchte mich nicht betäuben, sondern die Höhen und Tiefen des Daseins bewusst erleben. Na gut, an den Tiefpunkten möchte ich mich doch lieber betäuben.
    »Dieser Mann ist nicht der einzige auf der Welt.« Dr. Salter stützt die Ellbogen auf die Schreibtischplatte und das Kinn auf die Hände. Ihre Unterarme wirken auf mich wie zwei Schranken, die mir den Weg zu meinem Rezept verstellen. »Haben Sie viele Freunde?«, erkundigt sie sich.
    »Ja, glücklicherweise. Es gibt viele Menschen, die sich um mich kümmern und mit denen ich reden kann.«
    »An Ihrer Stelle ginge ich in Museen und Galerien. Sie müssen sich ablenken und Ihr Leben weiterleben. Mir scheint, ohne diesen Mann sind Sie besser dran.«
    Wieder laufen mir die Tränen herunter, aber langsam werde ich auch ungehalten.
    »Ich kann am Wochenende ja kaum irgendwo hingehen. Neulich war ich im Kino und musste den Film mittendrin verlassen, weil ich so laut geweint habe.«
    »Was für ein Film war das?«
    Was soll das denn schon wieder heißen? »Ein französischer, über einen Mann, der im Gefängnis sitzt.«
    »Suchen Sie sich beim nächsten Mal etwas Erbauliches aus. Avatar soll ganz hervorragend sein.«
    Ist das ihr Ernst?
    »Na, kommen Sie«, fährt sie fort. »Reißen Sie sich zusammen.« Tut mir leid, aber das ist so ungefähr das Letzte, was ich will. »Spritzen Sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und wischen Sie die verlaufene Wimperntusche ab. Oder möchten Sie wie ein Pandabär aussehen?«
    Jetzt schlägt es aber gleich dreizehn. Man hat mir gesagt, Kassenärzte verteilen Antidepressiva wie Süßigkeiten, und ich möchte gefälligst welche haben.
    »Könnten Sie noch mal diese eine Frage vorlesen?«
    »Bitte?«
    »Da war ich mit den Gedanken woanders. Könnten Sie diese Frage bitte wiederholen?«
    »Welche denn? Ob Sie daran denken, sich selbst zu verletzen?«
    »Genau. Die Antwort ist, ja, manchmal tue ich das.«
    »Tatsächlich?«
    Ich nicke à la James.
    Dr. Salter holt tief Luft. »Gut, ich verschreibe Ihnen Citalopram. Wir beginnen mit den Zwanzig-Milligramm-Tabletten und schauen, wie Sie damit zurechtkommen. Allerdings setzt die Wirkung frühestens in einem Monat ein.«
    Auf dem Weg zurück ins Büro umklammere ich mein Rezept und komme zu folgendem Ergebnis: Das, was James gesagt hat, kann ich nicht ändern. Auch nicht, was er getan hat, was er denkt, wer er ist, und dass er eine andere hat.
    Aber alles ist für mich gleichermaßen unerträglich.
    Auf meinem Büro-PC erwartet mich eine E-Mail von Devron.
    »Sophie, habe

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