Süße Teilchen: Roman (German Edition)
für Juni ein Hotelzimmer gebucht. Vielleicht mache ich nach dem Urlaub mit ihr Schluss.«
»Aber warum willst du ihr denn so lange etwas vormachen? Wäre es ihr gegenüber nicht fairer, jetzt schon einen Schlussstrich zu ziehen?«
»Bitte, vergleich mich nicht dauernd mit James.«
»Das tue ich nicht. Aber mal im Ernst, mir scheint, du wartest nur darauf, eine andere zu treffen. Kannst du denn nicht mal eine Zeit lang allein sein?«
»Was soll das, Sophie? Ich dachte, ich bin dein Freund.«
Ich fange an zu weinen. »Dann hilf mir, über James hinwegzukommen. Ich will nicht immer nur traurig sein.«
Pete nimmt mich in die Arme. »Versuch, ein bisschen Abstand zu gewinnen. Das ist das, was du jetzt brauchst.«
Ich muss einfach noch ein Stück Brot essen.
Ich weiß selbst, dass ich Abstand gewinnen muss. Und dass Selbstmitleid nichts nützt und ich versuchen muss, James hinter mir zu lassen.
Klar, weiß ich das. Aber es ist, als sähe ich nur Webdings-Symbole vor mir.
Leider schafft mein Gehirn es nicht, ihre Bedeutung zu erfassen. Ich sehe ein Herz, eine Frage, schwarze Kugeln und Kästchen, einen Mann neben einer Jacht und einen Bus – könnten zwei Fluchtmöglichkeiten sein.
Vielleicht halte ich mich lieber an Wingdings:
Hm, viel klarer ist mir die Sache jetzt auch nicht geworden.
Ich glaube, mittlerweile könnte ich im Fernsehen eine Autosendung moderieren, denn das Schnurren eines Maserati erkenne ich unter sämtlichen Sportwagen mit geschlossenen Augen. Wenn ich einen höre oder womöglich sogar sehe, breche ich in Panik aus.
Leider wimmelt es in London seit Kurzem von mitternachtsblauen Maserati. Sobald ich einen entdecke, versuche ich zu erkennen, ob James am Lenkrad sitzt. Es ist erstaunlich, wie viele Männer mittleren Alters mit leichtem Doppelkinn mitternachtsblaue Maserati fahren.
Ich hoffe, wenn einer von ihnen an einer roten Ampel hält, muss ich nie vor ihm die Straße überqueren, denn dann würde ich stehen bleiben und durch die Windschutzscheibe in den Wagen starren. Inzwischen weiß ich, dass alle Maserati-Fahrer den gleichen Gesichtsausdruck haben. Er erinnert mich an ein Poster, das ich als Kind an der Wand hatte. Darauf war Garfield abgebildet. In der Sprechblase stand: »Wie kann denn ein so toller Typ wie ich bescheiden sein?« Häufig haben sie eine Frau Anfang zwanzig auf dem Beifahrersitz. Diese Frauen scheinen ausnahmslos zu schmollen. Eigentlich ist es eine ganz einfache Gleichung, die selbst Amber verstehen würde:
40 < > 55 + ££ = + > 30
Die Männer drücken aufs Gas, ehe die Ampel grün wird ,und rasen los, als käme man in London jemals schnell irgendwohin.
Das Gute an einer Fernbeziehung ist, dass einem die Trennung nicht so schwerfällt. Aber ich hatte keine Fernbeziehung, laut Google-Stadtplan ist James mit dem Wagen nur 2,5 Meilen von mir entfernt. Zu Fuß sind es 2,1 Meilen.
Wenn ich durch die Straßen laufe, habe ich Angst davor, ihn irgendwo zu entdecken – oder dass er mich entdeckt, was noch schlimmer wäre. Um keine Maserati-Motoren zu hören, habe ich für meinen iPod jetzt dick gepolsterte Kopfhörer, außerdem nehme ich jetzt für alle Wege den Bus.
Inzwischen ist es März geworden. Der Frühling lässt auf sich warten, der Londoner Himmel ist ständig grau. Vor einem Jahr saß ich James im Dean Street Townhouse gegenüber, aß die Königin der Nachspeisen und verliebte mich in ihn. Heute sitze ich Devron im Konferenzraum 4B gegenüber und sehe zu, wie er ein Sandwich mit Wurst und Ei inhaliert.
Der witzige Tom, Julie aus der Verpackung und ich warten darauf, dass Devron sich einen Rest Eigelb vom Kinn abwischt, ehe er sich weiter über den Kurswechsel auslässt, den er mir vor einer Woche so einfühlsam mitgeteilt hat.
Auch Zoë hat mir schon einiges über den »Scheiß-Kurswechsel« erzählt; denn ihr Kühlschrank ähnelt dem Parkplatz, auf dem Deep Throat telefonisch die Informationen über Nixons Tonbandaufnahmen durchgab.
Von Zoë habe ich erfahren, dass unsere Forschungsabteilung die Lifestyle-Trends des 21. Jahrhunderts ausspioniert hat. Sie haben eine neue weibliche Kundengruppe identifiziert, die nur darauf wartet, ausgebeutet zu werden. Dabei handelt es sich um Langzeit-Singles, die Geld haben, aber einsam und unzufrieden sind. Für sie soll es künftig Trostnahrung geben, kleine Portionen, um zu verhindern, dass sie aus lauter Frust etwas für vier Personen verschlingen.
Devron sieht mich an. »Bitte nicht kreativ werden, Sophie,
Weitere Kostenlose Bücher