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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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Frau nie hören möchte.«
    »Fette Tante?«
    »Beinah. Jetzt nimm das T weg und mach aus dem a ein e.«
    Will schweigt. Dann fängt er an zu glucksen.
    »Lach nicht, das ist nicht lustig.«
    »Du hast recht, es ist ziemlich grauenhaft.«
    »Genau.« Ich nicke entschieden, obwohl er das nicht sehen kann.
    »Komm nach Sheffield«, sagt Will. »Dann können wir alles bereden.«
    »Gut. Würde dir Montag passen? Die übliche Zeit?«
    »Wunderbar, ich freu mich. Ich hole dich dann vom Bahnhof ab.«

Seit vierzehn Tagen gehe ich zweimal pro Woche zu einer Therapeutin, die kognitive Verhaltenstherapie macht. Ich war vorher nur einmal in meinem Leben bei einem Seelenklempner, aber das waren nur ein paar Sitzungen nach dem Tod meines Vaters. Ich fand sie entsetzlich. Wenn ich für etwas sechzig Pfund bezahle, möchte ich eigentlich, dass man es essen oder anziehen kann, am liebsten beides. Aber da ich für Depressionen keine Zeit habe und die Tabletten immer noch nicht wirken, bleibt mir nur die Intensivtherapie.
    Ich mag meine Therapeutin wirklich. Sie ist klug und nett und hat eine normale Figur.
    Sie sagt, ich solle meine gescheiterte Beziehung als Geschenk auffassen, als »Lernerlebnis«. Wenn ich an Geschenke denke, stelle ich mir eine Teetasse von Marimekko vor oder eine hellblaue Kaschmirdecke, falls Geld keine große Rolle spielt. Ich glaube nicht, dass »Lernerlebnis« jemals auf meiner Wunschliste für Weihnachten gestanden hat. Falls doch, möchte ich dieses Geschenk gern wieder umtauschen, mit allem, was dazugehört, insbesondere die mittelschwere klinische Depression und den Saft, der einem die Würde nimmt, obwohl ich Letzteren schon fast ganz aufgebraucht habe. Die Quittungen habe ich leider nicht mehr, aber wenn man mich sieht, wird man mir glauben.
    Ich erzähle der Therapeutin, dass meine Großmutter vor einer Weile gestorben ist und ich mich schuldig fühle, weil ich deswegen nicht so traurig bin, wie ich es sein sollte. Sie glaubt jedoch, dass James’ Verhalten mich gerade wegen dieses Verlusts so hart getroffen hat, schließlich habe ich die Person verloren, die in London am engsten mit mir verwandt und außerdem die Mutter meines verstorbenen Vaters war, sodass man beinahe von einem zweifachen Verlust sprechen könnte. Ich verstehe nicht, warum sie sich so auf den Tod versteift. Meine Großmutter war siebenundneunzig und hat sich nur noch gelangweilt. Sie wollte sterben.
    Darüber hinaus glaubt meine Therapeutin, dass ich meine Trennung von Nick noch nicht verarbeitet habe und die Trauer um all diese verlorenen Menschen mich in diesen Zustand gebracht hat. Aber als Nick und ich uns trennten, fühlte ich mich intakt. Ich war nicht gebrochen. Er hatte mir nicht wehgetan.
    Sie glaubt nicht, dass es James je um mein Gewicht ging, sondern dass er mich lediglich da angegriffen hat, wo ich verletzlich war. »Wenn es nicht Ihr Gewicht gewesen wäre, hätte er sich etwas anderes gesucht.«
    »Bewusst oder unbewusst?«, frage ich.
    Sie zuckt mit den Schultern. »Vermutlich unbewusst. Aber ich kenne ihn ja nicht.«
    Aus irgendeinem Grund versuche ich in der nächsten Sitzung wie besessen herauszufinden, wie schlecht James wirklich ist. Ist er ein totaler Idiot, ein Sadist, ein Stück Scheiße oder nur feige und unreif oder einfach schwach und menschlich – oder alles zusammen? Haben Noushka und ich uns jemals überschnitten? Wenn ja, für wie viele Tage, wie viele Stunden? War sie über Weihnachten und Silvester mit ihm auf den Kaimaninseln? Wie immer versuche ich, einen Schuldigen zu finden, eine Eigenschaft, an der meine Mutter schuld ist. Wenn sie sich in Kalifornien den großen Zeh am Liegestuhl stößt, habe ich das in London verursacht. Wenn sie nicht mehr weiß, wo ihre alte Omelette-Pfanne ist, haben Handwerker sie gestohlen. Ich kann ihr zigmal erklären, dass Handwerker keine alte Omelette-Pfanne stehlen, höchstens ihre neue Le-Creuset -Pfanne, aber in solchen Dingen lässt sie nicht mit sich reden. Wenn sie die Pfanne wiederfindet, sind die Handwerker bei ihr eingebrochen, um sie zurückzubringen, und sie überlegt, ob sie die Polizei rufen soll. Meine Mutter ist verrückt, und ich komme jetzt offiziell nach ihr.
    »Vielleicht sollten Sie erkennen, dass dieser Mann Ihren Erwartungen nicht entsprochen hat.« Ich sage, das klingt nicht, als würde es Spaß machen.
    In der vierten Sitzung sprechen wir über Wut. Meine Therapeutin glaubt, ich habe in Bezug auf meine Figur von James zu viel geschluckt und

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