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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Newman
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leide jetzt an einer verspäteten Reaktion darauf. Das hilft mir leider gar nicht, denn ich bin und bleibe wütend. Ich bin wütend, weil ich mich im neuen Jahr wieder mit ihm eingelassen habe, vorher seine Bemerkungen über mein Gewicht hingenommen habe, nicht selbstbewusster war, im Auto mit ihm Sex hatte, obwohl er da mit Sicherheit schon mit Noushka zusammen war, ich ärgere mich, dass ich mich seinen Wertvorstellungen gebeugt und ihm seine Version von mir geglaubt habe.
    »Sie hätten auf James wütend sein sollen«, rät meine Therapeutin. »Nicht auf sich.« Dummerweise hatte ich zu viel Angst, ihm meine Wut zu zeigen, ebenso wie ich in Frankreich zu viel Angst hatte, splitterfasernackt durch das Haus der Bonders zu laufen. Außerdem mag ich Wut nicht zeigen, denn man hat mir eingeschärft, dass sie hässlich ist, hässlich wie Zellulitis.
    Deshalb verinnerliche ich meine Wut und trage sie in meinem Herzen, genau dort, wo sie am wenigsten hilft.
    Nach der vierten Sitzung sagt meine Therapeutin, sie wisse nicht genau, wie sie mir helfen könne. Ich sei nicht der »normale Typ Patient«.
    Ich bitte sie, diesen Begriff nie mehr zu wiederholen.
    Sie entschuldigt sich, glaubt aber, dass ich mich gegen die kognitive Verhaltenstherapie wehre und ihre Prinzipien infrage stelle.
    Ich erwidere, wenn ich keine Hilfe brauchte, würde ich wohl kaum dafür bezahlen.
    Sie lächelt milde und erklärt, dass ich mich ihrer Meinung nach gedanklich an James klammere, weil ich nicht möchte, dass unsere Beziehung zu Ende ist.
    Hurra! Volltreffer! Und genau deshalb soll sie bitte schleunigst ihren Zauberstab benutzen und mich wieder auf die Reihe bringen. Oder noch besser, mir helfen, James zurückzukriegen. Dafür würde ich sogar das Doppelte pro Stunde zahlen.
    »Natürlich können Sie weiterhin jede Woche herkommen, aber Sie sind diejenige, die an sich arbeiten muss.«
    Diese Psychotante ist gefeuert.
    Auf der Busfahrt von meiner Ex-Therapeutin nach Hause, kommt mir der großartige Gedanke, meinen Ex-Verlobten anzurufen und mich mit ihm auf einen Kaffee zu treffen. Ich möchte ihn an den Erkenntnissen teilhaben lassen, die ich nach meinen vier therapeutischen Sitzungen gewonnen habe. Sie könnten auch für ihn nützlich sein. Danach kann er anfangen, an sich zu arbeiten, wir werden wieder zusammenkommen, und der Schmerz in meiner Brust wird verschwinden.
    Zwar haben mir sämtliche Freunde geraten, James nie wieder anzurufen, aber im Moment fühle ich mich so gut, dass ich seine Nummer wähle. Erst als ich die grüne Taste auf meinem Handy drücke, spüre ich wieder das schmerzliche Ziehen in der Brust und mir wird übel.
    Ich lasse es ewig lange klingeln. Als ich kurz davor bin, die rote Taste zu drücken, meldet er sich und klingt überrascht.
    »Sophie?«
    Die unbeschwerten Worte, die ich mir zurechtgelegt habe, kommen mir nicht über die Lippen.
    »Ich muss dich sehen«, sage ich.
    »Ähm, das passt jetzt nicht so gut.«
    »Nur für eine halbe Stunde, auf einen Kaffee. Nur ganz kurz.«
    »Heute nicht. Wie wär’s mit nächster Woche?«
    »Es ist wichtig.«
    »Aber ich kann jetzt nicht.«
    »Dann vielleicht später?« Hör auf zu betteln, Sophie.
    »Nein, heute geht es wirklich nicht.«
    »Ginge es vielleicht morgen?« Du sagst jetzt kein Wort mehr, Sophie.
    »Mein Taxi hält gerade in Heathrow.«
    »Wohin fliegst du?«
    »Es ist eine Geschäftsreise.«
    »Wohin?«
    Stille.
    »James, wohin fliegst du?«
    »Nach Moskau.«
    Fein, überhaupt kein Problem für mich.
    »Wir können uns nächste Woche treffen«, sagt er.
    »Nein. Besser nicht.«
    Als ich fünf war, spielte ich an einem schönen Sommertag im Meer. Ich hatte mich etwas weiter hinausgewagt, als meine Eltern mir erlaubt hatten. Mit einem Mal sah ich eine Welle auf mich zukommen und erkannte zu spät, wie groß sie war. Größer als ich.
    Ich wusste, sie würde mich überrollen, ganz gleich, ob ich mich seitlich drehte, ihr den Rücken zukehrte, hochsprang oder mit dem Gesicht zu ihr stehen blieb.
    So ist es jetzt auch. Mir ist, als hätte mich eine Welle umgerissen.

Am Montagmorgen nehme ich den Zug nach Sheffield, um mit Will über die Desserts für einsame, ledige Frauen zu sprechen.
    Er erwartet mich am Bahnhof und gibt mir einen kleinen Karton mit etwas aus Blätterteig darin. Ausgerechnet. Ich erkläre ihm so nett wie möglich, dass ich im Moment leider verzichten müsse.
    Auf der Fahrt schaue ich aus dem Seitenfenster. Nach einer Weile sagt Will: »Du bist ja

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