Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
genießen, damit sie nichts davon jemals vergaß.
„Worauf warten Sie?“, rief er über die Schulter zurück. Diesmal schien das Lächeln, mit dem er sie bedachte, etwas zu verbergen. Sie hätte gern gewusst, was. Doch so gut würde sie ihn nie kennenlernen, und das machte sie traurig.
„Da kann ich mich ja wirklich geschmeichelt fühlen, dass mich einer der begehrtesten Junggesellen der Welt so verwöhnt“, murmelte sie, als er sie in die große Küche führte.
Er lachte. „Nehmen Sie bloß nicht ernst, was in den Klatschspalten steht, Michelle! Was geht es die Leute an, dass ich mich nicht binden möchte?“ Er nahm sie bei der Hand und führte sie durch den Raum hinaus auf die sonnige Terrasse, die mit in Rosatönen blühenden Rosensträuchern gesäumt war. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick auf das Meer. Er breitete die Arme aus. „Damit bedanke ich mich dafür, dass Sie mir Modell sitzen.“
Michelle empfand es als Luxus, sich an einen gedeckten Frühstückstisch zu setzen. Als Erstes goss er ihr heiße Schokolade ein, damit sie sich aufwärmte. Dann brachte er warme Croissants und bestrich sie mit Butter und Aprikosenmarmelade. Doch vor Aufregung war ihr Magen wie zugeschnürt. Sie naschte nur ein bisschen und tat ansonsten so, als nähme die Aussicht sie gefangen. In Wirklichkeit beobachtete sie ihn.
Er aß mit Appetit. Als er merkte, dass sie kaum etwas zu sich nahm, bot er ihr so hartnäckig von den Köstlichkeiten an, dass sie schließlich doch genug aß. Später, als er den Cappuccino brachte, lehnte sie sich entspannt zurück und dachte darüber nach, welches Blau sie schöner fand, das des Himmels oder das des Meeres.
„Ich könnte den ganzen Tag hier sitzen“, sagte sie schließlich.
„Warum tun Sie es nicht?“
„Weil ich arbeiten muss, natürlich.“
Er schaute sich um und schüttelte den Kopf. „Ich wüsste nicht, was es hier jetzt zu tun gäbe. Es ist doch alles sauber und ordentlich.“ Er streckte die Hand aus und nahm ein Krümelchen vom Ärmel ihres Morgenmantels. Die Geste wirkte so vertraulich, dass Michelle sich gespannt fragte, was er als Nächstes tun würde. Doch er sah sie nur an. Und zwar mit dem gleichen Blick wie vorhin, als er sie skizzierte.
„Ich brauche nicht lange, um das Atelier zu beziehen. Dann sollte mich nichts mehr davon abhalten, endlich mit dem Malen anzufangen. Ich hoffe, Sie sind darauf vorbereitet, dass ich Sie Tag und Nacht verfolge, bis ich jeden Ihrer Gesichtsausdrücke festgehalten habe.“
Michelle fühlte sich bereits von ihm verfolgt. Bis in ihre Gedanken und Träume hinein. Und sie begrüßte es, dass er sie auch auf Schritt und Tritt verfolgen wollte. Denn wenn ein Blick aus seinen schokoladenfarbenen Augen sie traf, erfüllte sie das mit süßer Erregung.
„Wann kommt das Zimmermädchen?“, fragte er und schaute auf die Uhr.
Die Frage ernüchterte Michelle. Er wollte das gemeinsame Frühstück beenden. Und so gern sie es noch ausgedehnt hätte, so gut wusste sie doch, dass es richtig war aufzubrechen, bevor jemand sie im Bademantel in der Villa überraschte.
Mit einem Seufzer erhob sie sich und half ihm beim Abdecken. Sogar die Geschirrspülmaschine räumte sie noch ein, nur um noch eine Weile in seiner Nähe bleiben zu können. Doch er war hier der Feriengast, sie hatte zu arbeiten, und zwar außerhalb seiner Sichtweite.
„Danke für das Frühstück, Alessandro. Nun muss ich wirklich gehen.“
„Bis dann, Michelle.“ Das hatte brüsk geklungen.
Als sie die Villa verließ, fühlte sie sich leer und enttäuscht. Er hatte es ja kaum abwarten können, sie loszuwerden. Warum dieser Sinneswandel, warum die plötzliche Änderung seines Verhaltens? Spürte er, wie sehr sie seine Gesellschaft genoss, und war sie ihm deshalb lästig geworden? Den ganzen Morgen hindurch war er charmant und zugewandt gewesen, und nun tat er so, als wollte er nichts mehr mit ihr zu tun haben. Darüber musste sie nachdenken.
Nachdem Michelle sich zurückgezogen hatte, fühlte Alessandro sich rastlos. Er konnte sich auf nichts konzentrieren. Schließlich griff er zur Zeitung und war so gelangweilt, als läse er die Ausgabe von gestern. Als er das Buch aufschlug, das Michelle ihm geliehen hatte, stieg ihm ihr Parfüm in die Nase. Trotzdem begann er zu lesen, doch er vergaß alles gleich wieder. Im Augenblick interessierte ihn die Kunst der Renaissance weitaus weniger als moderne Schönheit.
Unauffällig verrichtete Michelle ihre Arbeit im Haus.
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