Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
war hart gewesen. Und ein ebenso hartes würde ihrem Baby bevorstehen, wenn sie allein mit ihm zurück nach England ginge. Was würde sie ihm für eine Mutter sein können, wenn sie unglücklich und verbittert war? Nein, sie wollte lieber bleiben. Als Alessandros legitimes Kind würden wenigstens ihm alle Wege offenstehen.
Ihre Liebe zu Alessandro würde so oder so unerfüllt bleiben. Denn verliebt hatte sie sich in den Künstler Castiglione. Doch der war, wie sich herausgestellt hatte, nur die Urlaubsverkleidung eines hartherzigen Geschäftsmannes gewesen. Weil sie letzte Nacht wieder unvernünftig gewesen war, würde er von jetzt an Sex zu seinen Rechten und Pflichten zählen, statt ihn als Glück dauerhafter Bindung zu empfinden.
Eine Woge von Scham überschwemmte sie. Schlimm, dass sie sich ihm hingegeben hatte, obwohl sie ihm nichts bedeutete. Doch noch Schlimmeres erwartete sie, wenn er ihrer überdrüssig würde. Irgendwann in nicht allzu langer Zeit brachte er es ihr taktvoll bei, dass er nicht mehr das Bett mit ihr teilen wolle. Das meinte er doch wohl, wenn er davon sprach, sich in keinerlei Weise binden zu wollen.
Michelle ging ins Badezimmer, das über und über mit Spiegeln dekoriert war. Hier konnte man sich nicht entkommen. Doch sie versuchte, sich wenigstens nicht in die Augen zu sehen, so sehr haderte sie mit sich. Warum hatte sie sich ausgerechnet diesen Mann ausgesucht? Die Antwort war klar: Sie hatte sich blenden lassen. Verblendet und blind hatte sie ihre unumkehrbare Wahl getroffen. Doch Alessandro wollte der Leidenschaft keine Chance geben, sich in Liebe zu wandeln. Warum auch? Es gab so viele schöne Frauen auf der Welt, viel schönere als sie. Suchte er bei ihnen nach Qualität? Oder verwechselte auch er manchmal Quantität mit dem Eigentlichen?
Für sie blieb jedenfalls nur eine tragikomische Doppelrolle: offiziell Ehefrau, inoffiziell die kurze Affäre des eigenen Mannes. Wenn das nicht zum Lachen und zum Weinen war. Vor allem aber ging es über ihre Kräfte.
Dafür, dass er mit ihr nur eine Vernunftehe eingehen wollte, dachte Alessandro viel zu häufig an Michelle. Er erklärte es sich damit, dass er sie in seiner Villa wusste, die er häufig gemalt hatte. Einige dieser Gemälde und Blätter hingen auf der Chefetage des Castiglione-Hauses in Florenz. Allerdings nur dort, wo er keine Besucher empfing. Und sehr prominent an der Wand gegenüber seinem Schreibtisch war eine Studie von Michelle am Swimmingpool von „Jolie Fleur“ angebracht. Er hatte sie nach seinen Skizzen in Lebensgröße angefertigt.
Mit diesem Gemälde stand er heute Morgen auf Kriegsfuß, obwohl er doch wusste, dass er kein besseres fertiggebracht hatte. Je länger er auf die Leinwand schaute, desto kritischer wurde er. Mal fand er die Pinselführung zu grobschlächtig, mal haderte er mit den Proportionen, mal mit den Farben. Was ihn aber am meisten störte, war die Emotionalität, die ihm aus dem Bild entgegensprang. Das passte nicht zu ihm. Weder als Urheber noch als Betrachter. Und es passte vor allem nicht in sein Büro. Es lenkte ab. Es regte zum Träumen an.
Seine Sekretärin räusperte sich. Er hatte nicht einmal ihr Klopfen bemerkt. „Ich wollte Sie nicht stören, sondern nur zu Ihrer Verlobung gratulieren“, sagte sie und rückte die Brille zurecht.
„Danke“, knurrte er. „Gibt es sonst noch etwas?“
Sie lächelte verlegen. „Ich weiß nicht, ob Sie an der Frage einer schon lange glücklich verheirateten Frau interessiert sind, aber …“
„Raus damit. Wir kennen uns ja schon eine Weile.“
„Ich frage mich, was Ihre Verlobte sagt, wenn sie herkommt und diese verführerische Unschuld an der Wand hängen sieht.“
Alessandro stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Machen Sie sich keine Sorgen. Meine Verlobte hat kein Interesse herzukommen. Aber Sie haben recht, das Bild stört.“
Als er wieder allein war, betrachtete er noch einmal mit kritischer Distanz Michelles sinnlich abgebildeten Körper. Sie wurde Mutter, und er wurde Vater. „Die Zeiten für solche Vergnügen sind jetzt vorbei“, sagte er laut, hängte das Bild ab und stellte es verkehrt herum gegen die Wand.
Ein lautes Knattern verursachte Unruhe in der Villa Castiglione. Michelle lief hinaus auf die Loggia und sah gerade noch, wie der Helikopter mit dem Markenzeichen des Castiglione-Unternehmens vorbeiflog. Als sie das Erdgeschoss erreicht hatte, war Alessandro bereits im Hof gelandet. Geduckt lief er unter den
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