Sueße Versuchung
Zuneigung zu Melinda schien doch über pures erotisches Vergnügen hinauszugehen. Was Jonathan nicht wissen durfte, war, dass Melinda sich hauptsächlich seinetwegen mit William versöhnt hatte. Der Admiral hatte gute Beziehungen; sein Hass auf einen Rivalen hätte Jonathan trotz all seiner Verdienste die Stellung, sein Offizierspatent, vielleicht sogar seine Freiheit gekostet. Edward hätte versuchen können, diese Folgen zu verhindern oder abzumindern, aber es wäre schwierig geworden. Und noch schwieriger für die beiden, danach glücklich zu werden.
»Und was hast du jetzt vor?«, fragte er Jonathan, als das Schweigen bereits einige Minuten andauerte, und sein Freund immer noch aus dem Fenster starrte.
»Ich muss mich in London melden. Man hat einen neuen Auftrag für mich.
Irgendetwas in der Karibik. Ich wollte mich nur noch verabschieden, dann reise ich ab.« Er wandte sich achselzuckend um. »Im Grunde ist es ja auch egal.« Er trat ironisch blinzelnd auf Edward zu und streckte ihm die Hand hin. »Leb wohl, Ed.
Werde glücklich mit deiner reizenden Sophie und pass in Zukunft auf, dass sie dich nicht wieder in Abenteuer reinzieht.«
Als Edward die Decke zur Seite werfen und aufstehen wollte, hielt er ihn fest. »Um Himmels willen! Bleib nur sitzen! Das würde Sophie mir niemals verzeihen! Und ich bin so froh, endlich ein wenig Gnade vor ihren Augen gefunden zu haben.«
Jonathan verließ nach einem festen Händedruck den Raum, und kurz darauf vernahm Edward in der Halle Sophies helle Stimme. Erst geraume Zeit später fiel die Eingangstür zu und man hörte, wie eine Kutsche anrollte.
* * *
Nachdem sie Jonathan verabschiedet hatte, war Sophie noch einige Minuten still in der Halle stehengeblieben und hatte nachgedacht. Sie hatte Jonathan in den kleinen Salon neben der Halle gebeten, und Jonathan hatte ihr noch so einiges erklärt. Er war nicht derjenige gewesen, der Henry ursprünglich in die Sache hineingezogen hatte. Winston selbst war auf ihren Vetter aufmerksam geworden und hatte herausgefunden, dass er durch die Spielschulden Druck auf ihn machen konnte. Er hatte einen Mann geschickt, der Henry in die Bande einführen und ihm so Gelegenheit geben sollte, Geld zu verdienen, um die Schulden zu begleichen. Allerdings waren zu dieser Zeit die Schuldscheine schon längst im Besitz eines der Bandenmitglieder gewesen. Jonathan hatte sich dann die Schuldscheine beschafft und Henry eben in seine Dienste übernommen. Dadurch hatte er ein Auge auf ihn haben und ihn vor größerem Schaden bewahren können.
Marian Manor war jetzt – wie er ihr versichert hatte – bis auf einige Reste von leeren Champagnerflaschen frei von den Spuren der Schmuggler. Die Anführer saßen fest oder waren bei den Kämpfen getötet worden, und von den kleinen Mitläufern würde keiner jemals wieder auf die Idee kommen, das Haus aufzusuchen. Sophie beschloss, Mrs. Drarey zu bitten, in der Stadt einige verlässliche Mädchen und Burschen in den Dienst zu nehmen, die draußen alles saubermachten. Und dann konnte man mit dem Renovieren des Hauses beginnen. Sophies Großmutter hatte zwar kein Vermögen, aber ein bisschen Geld hinterlassen, das ausreichen sollte. Sophie mochte dieses Haus. Es war größer als Edwards Heim und vielleicht wollten sie später, wenn sich ihre Familie vergrößert hatte – Sophie bedachte dies mit einem verlegenen Lächeln – hinausziehen.
Sophie wollte soeben die Treppe hinaufsteigen, um mit Edward über ihre Pläne, Marian Manor betreffend, zu sprechen, als auf der Straße vor dem Haus laute Stimmen zu vernehmen waren. Diesen Tonfall kannte sie doch! Und die Männer, die vor der Tür standen, hatten nicht Englisch gesprochen, sondern Schottisch!
Dann betätigte jemand sehr energisch den Türklopfer. Sophie wartete nicht darauf, dass der Butler öffnete, sondern eilte selbst hin. Sie riss die Tür auf und sah sich Aug in Aug ihrem Vater gegenüber.
Sein Blick umfasste sie als Ganzes, mit Besorgnis, Freude, Ärger, und dann breitete er auch schon die Arme aus, und Sophie flog aufjauchzend hinein.
»Mein Mädchen. Mein kleines Mädchen.« Die Arme ihres Vaters waren stark und beschützend, und Sophie kuschelte sich hinein und genoss einige Atemzüge lang die vertraute Umarmung. Dann hob sie den Kopf und guckte über seine Schulter. Er war nicht alleine gekommen. Dicht hinter ihm stand Patrick! Und daneben: Phaelas.
Sophie ließ ihren Vater los. »Oh Gott«, entschlüpfte es ihr.
Vater McIntosh fasste
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