Sueße Versuchung
glitt sein Blick an Lady Elisabeth vorbei und zu Sophie McIntosh hinüber, die angestrengt in Mrs. Summers Ohr brüllte, die den Kopf zu ihr geneigt hatte, ihr zuhörte, und dabei lächelte. Unter anderen Umständen hätte er höflich abgesagt, aber nun bot Lady Elisabeths Haus eine neue Attraktion. Es war eine hervorragende Gelegenheit, Sophie McIntosh öfter zu sehen und ein wachsames Auge auf sie zu haben. Die Kleine schien eine gewisse Fähigkeit zu haben, sich in Schwierigkeiten zu stürzen.
»Es wird mir eine große Ehre sein«, erwiderte er.
Lady Elisabeth verbarg ihre Genugtuung hinter einem hochmütigen Lächeln. Sie hatte jedoch seinen Blick auf Sophie bemerkt und wedelte nervös mit ihrem Fächer.
»Sie haben also schon meine Nichte kennengelernt. Ein schreckliches Ding. Passt überhaupt nicht hierher, aber ich hatte keine andere Wahl, als sie aufzunehmen. Sie hat …«, sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, »daheim etwas sehr Unziemliches getan und musste für einige Zeit fort. Tja, wie die Mutter so die Tochter, nicht wahr? Man muss ja nur daran denken, wie skandalös meine Cousine Annabelle damals mit diesem Schotten auf und davon ist. Ich bin ja nur froh, dass Augusta nicht die geringste Ähnlichkeit mit diesem Zweig der Familie hat.«
»Für die Sünden der Eltern kann man die Tochter wohl kaum verantwortlich machen«, erwiderte Edward kühl. »Soviel ich gehört habe, ist Annabelle Stourton außerdem seit vielen Jahren sehr glücklich mit diesem Schotten verheiratet. Wie Sie vielleicht nicht wissen, Lady Elisabeth, waren meine Mutter und sie in London eng befreundet. Sie schreiben sich jetzt noch regelmäßig.«
Seine abweisenden Worte zeigten Wirkung. Lady Elisabeths Gesicht verlor die Maske der Selbstherrlichkeit, und ein boshaftes Funkeln trat in ihre Augen. Sie hatte Annabelle Stourton niemals gemocht und diese Abneigung auf deren Tochter übertragen. Edward wurde in diesem Moment mit größtem Bedauern klar, dass er jeden heftigeren Flirt mit Sophie McIntosh meiden musste, wenn er ihr nicht schaden und sie den Schmähungen ihrer Tante oder anderer Hyänen ihrer Bekanntschaft aussetzen wollte.
Und noch etwas wurde ihm in diesem Augenblick bewusst: Dass es ihm sogar einiges wert war, sie vor Bosheiten zu beschützen. Sein Blick glitt wieder wie von selbst zu ihr hinüber. Die Kleine machte einen so einsamen Eindruck. Sie tat ihm leid. Es war schon lange her, dass er sich um andere – noch dazu völlig Fremde – Gedanken gemacht hatte, aber seit er Sophie McIntoshs Hintern gestreichelt, und sie seine Fantasie beflügelt hatte, fühlte er sich seltsamerweise für sie verantwortlich. Sie war ein reizendes Ding, das nicht in diese hochmütige Gesellschaft gehörte. Wusste der Kuckuck, was ihren Eltern eingefallen war, sie hierher zu schicken, wo sie nur unglücklich sein konnte. Was konnte es schon Unziemliches gewesen sein, das dieses naive junge Ding verbrochen hatte?
Er wechselte noch einige unverbindliche Worte mit Lady Elisabeth, versuchte deren gesträubtes Nackenfell zu glätten, und wurde sie dann aufatmend an eine ihrer Freundinnen los. Allerdings gesellte sich fast unmittelbar darauf jemand zu ihm, dem er lieber ausgewichen wäre.
»Welch nettes Zusammentreffen.« Captain Jonathan Hendricks schlenderte mit einem Grinsen näher.
»Nett?« Edward maß ihn von oben bis unten. »Für wen?«
Captain Hendricks antwortete nicht darauf, sondern stellte sich neben Edward und sah ebenfalls in den Ballsaal und auf Sophie.
»Ich weiß nicht, was ihren Eltern dabei eingefallen ist, sie herzuschicken«, sagte er, als könnte er Edwards Gedanken lesen. »Sie suchen, wie Henry vermutet, wohl einen wohlhabenden Ehemann für sie. Henry hat auch noch etwas von einem Skandal in Schottland gefaselt, aber ich glaube, das stammt wohl eher von der gehässigen Zunge der Mutter oder Schwester. Dieser Schotte dagegen, dieser McIntosh hat, soviel man hört, kaum eintausend Pfund im Jahr, dazu eine halbverfallene alte Burg. Und jetzt kommt seine Tochter hierher und treibt sich bei dem Haus herum. Zu dumm. Ein paar Wochen oder Monate später hätte es nichts mehr ausgemacht.«
»Ihr solltet von dort verschwinden«, sagte Edward verärgert. »Sie wird wieder hinreiten. Die Fuß- und Wagenspuren haben sie misstrauisch gemacht.«
Jonathan zog eine Grimasse. »Dieser Narr Henry ist offenbar nicht in der Lage, sie davon abzuhalten. Das kann aber äußerst ungesund für sie werden.« Er schlenderte an
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