Sueße Versuchung
erwiderte Edward gelangweilt. »Aber wäre der Umstand, dass – wie Sie behaupten – ehemalige Mitglieder der Navy verwickelt sind, nicht eher ein Grund, die Sache dem Ersten Seelord vorzulegen?«
»Der scheint wenig Interesse daran zu haben«, gab Parson zu.
»Und da sind Sie und Ihre Vorgesetzten auf die Idee gekommen, hierher nach Sussex zu reisen und mich und meine Schwester in die Angelegenheit hineinzuziehen?«
Edwards Stimme war mit jedem Wort schneidender geworden. Sein Blick wurde so eindringlich, dass dem Beamten Schweißperlen auf die Stirn traten.
Er hatte es ziemlich dumm angefangen, das erkannte Parson jetzt. Lord Edward hatte sich nach dem Sieg über Napoleon und dessen Verbannung hierher zurückgezogen.
Parson wusste nicht, was während des Krieges geschehen war, nur, dass es Lord Edward fast das Leben gekostet hätte, und sein Bruder tatsächlich getötet worden war.
Und dass auch Jonathan Hendricks darin verwickelt gewesen war. Parson wäre niemals darauf gekommen, sich in diese Sache einzumischen, hätte ihm nicht jemand von einem Schreiben erzählt, in dem Admiral Mayfield, der sich im fernen Ostindien aufhielt, darauf hingewiesen wurde, dass seine Gattin sich während seiner Abwesenheit mit Schmugglern vergnügte.
Parson war neugierig geworden, hatte ein bisschen nachgeforscht und dann eine Möglichkeit gesehen, sich zu profilieren. Er war jetzt fast vierzig Jahre alt und stand immer noch ganz unten in der Hierarchie, auf einem Posten, der seinen Fähigkeiten bei Weitem nicht gerecht wurde. Er wäre dumm gewesen, diese Gelegenheit nicht am Schopf zu packen.
Es war nicht schwierig gewesen dahinterzukommen, dass der ehemalige Navy Captain Hendricks und Edward Harrington auch noch nach dem Krieg Kontakt hatten, und dass Lady Melinda Mayfield manches Mal hier in Sussex und sogar in Captain Hendricks Begleitung gesehen worden war. Damit hatte er den Grund gehabt, um Edward Harrington aufzusuchen. Eine untreue Ehefrau interessierte ihn nicht, aber einen Schmugglerring auszuheben, war eine Sache, mit der seine Vorgesetzten auf ihn aufmerksam wurden. Er brauchte Beweise für Jonathan Hendricks illegale Aktivitäten. Und von wem konnte er die leichter erhalten als von einer Frau, die er für Hendricks Geliebte hielt. Und wenn nicht von ihr, dann von ihrem Bruder. Und damit war er wieder bei Lord Edward angelangt.
Er wischte sich über die Stirn. »Sie leben nicht weit von Captain Hendricks entfernt.
Es wäre Ihnen ein Leichtes, Kontakt mit ihm zu halten. Sie haben doch als Lady Mayfields Bruder …« Lord Edwards Miene ließ ihn abermals verstummen.
»Sollten Sie wirklich auf die Idee gekommen sein, mich zu ersuchen, Captain Hendricks auszuspionieren?«
Parson unterdrückte einen gequälten Laut. Genau das hatte er gedacht. Aber er hatte es sich leichter vorgestellt. »Nun, ich dachte, weil doch Ihre Schwester …« Er begann unter dem Blick zu stottern. »Weil … ich dachte, Mylord, Sie hätten Interesse daran, die Sache schnell aufzuklären. Wir haben den Eindruck, dass Lady Melinda durch Captain Hendricks in gewisse Aktivitäten gezogen wurde, die …«
»Ich verbitte mir jede Art von Unterstellung, die Sie hier vor mir ausbreiten«, schnitt ihm Edwards scharfe Stimme jedes weitere Wort ab. »Ich habe keinen Kontakt mehr zu Captain Hendricks. Wir grüßen uns bestenfalls, wenn wir uns zufällig sehen.«
Edward hatte nicht erst den Hinweis seines Besuchers gebraucht, um zu wissen, dass Jonathan tatsächlich tief in den Schmuggel an der Küste verwickelt war. Und nicht nur er. Er hatte es verstanden, einige bisher unbescholtene, wenn sich auch nicht gerade durch Klugheit auszeichnende Einwohner von Eastbourne im wahrsten Sinn des Wortes vor seinen Karren zu spannen. Und damit hatte er letzten Endes Edwards kleine Schottin in die Sache hineingezogen. Das war etwas, das Edward mindestens ebenso wütend machte wie Jonathans Verhältnis zu Melinda.
Er erhob sich. »Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen meiner Schwester und den Aktivitäten der Schmuggler. Daher empfinde ich Ihre Bemerkungen und Ihren Besuch als beleidigend. Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich werde erwartet.«
Parson erhob sich. Er war verärgert, verwirrt und verlegen. Im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit einer leichten Verneigung zurückzuziehen, aber noch war in dieser Sache nicht das letzte Wort gesprochen. Wenn es sein musste, dann würde er eben mit Admiral Mayfield Kontakt aufnehmen.
Weitere Kostenlose Bücher