Sueße Versuchung
leichter. Ihr Bruder war verliebt.
»So hattet ihr schon früher Kontakt?«
»Nein. Nein, nein.« Edward räusperte sich abermals. Das tat er nicht oft, nur wenn er verlegen war. Und das kam bei ihm selten vor. »Ich habe sie vor einiger Zeit kennengelernt. Bei einem Ball, den Mrs. Summers Tochter gegeben hat.«
»Oh, Mrs. Summers kenne ich. Eine sehr gediegene Familie und eine reizende alte Dame. Energisch, aber liebenswert.«
»Nun«, Edward zuckte mit den Schultern, »da habe ich Sophie kennengelernt. Und dann hat eben eins das andere ergeben und in fünf Tagen heiraten wir.«
Melinda war sprachlos. Normalerweise dauerte in ihrer Gesellschaftsschicht die Verlobungszeit einige Monate. »Edward! Hast du sie verführt?!«
»Wie? Nein! Unfug. Natürlich nicht.«
»Aber weshalb denn dann diese überstürzte Heirat?«
Edward dachte nach. Dann zuckte er abermals mit den Schultern. »Vielleicht, weil man im Leben das packen sollte, an dem einem liegt«, sagte er endlich.
Melinda sah tief in seine Augen. »So wie ich Jonathan?«
Er atmete durch. »Vielleicht. Und wäre da nicht Jonathans gefährliches Geschäft, und würde ich auch nur im Entferntesten annehmen, dass er dich heiraten und auf dich aufpassen will, dann wäre ich der Letzte, der dich nicht dabei unterstützen würde, Mel.«
Melinda warf sich ihm an den Hals und presste ihr Gesicht an seine Schulter. »Ich weiß, mein Lieber. Und ich bin auch vernünftig. Und ich wünsche dir, dass du mit dieser Schottin glücklich wirst. Nicht, dass ich sie mir nicht genau ansehen werde!
Sehr genau! Und wehe, sie ist nicht gut genug für dich!«
»Sie ist es. Ganz bestimmt. Du wirst sie mögen.« Ihr Bruder streichelte über ihren Rücken, drückte sie an sich und wiegte sie dann sogar im Arm wie ein kleines Kind.
Als er sie losließ, küsste er sie auf beide Wangen.
»Edward?«
»Ja?«
Melinda sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Denkst du oft an James?« Sie sah, wie sich sein Gesicht veränderte. Trauer überzog seine Züge.
»Ja. An manchen Tagen werde ich weder den Gedanken noch den Anblick los.«
»Mir geht es ebenso, auch wenn ich nicht dabei war, als er starb. Aber weißt du, was ich dann denken muss: Dass es Jonathan war, der verhindert hat, dass ich dich auch noch verliere.« Und dieser Verlust hätte sie noch viel härter getroffen. Sie hatte auch James geliebt, aber Edward stand ihrem Herzen näher.
Edward legte seine Wange an ihre und zog sie wieder an sich. »Das vergesse ich auch nicht, Mel. Aber ich vergesse ebenso wenig, wie sehr er dich jetzt in Gefahr bringt. Er ist ein Abenteurer, gleichgültig aus welchen Gründen er mit der Bande arbeitet.
Vergiss das nicht.« Er drückte noch einen Kuss auf ihre Stirn, dann wandte er sich um und ging.
Melinda sank auf einen Stuhl, legte das Gesicht in die Hände und seufzte leise. Wenn nur ihr Mann hier wäre, dann wäre alles einfacher. Wenn er nur … Aber er war weit fort. Und Jonathan mit seinen Händen, seinem Lachen, seinem Körper und seinen Abenteuern war hier.
Und Edward würde heiraten. Sie versuchte sich für ihn zu freuen, aber gnade dieser Frau Gott, wenn sie nicht gut genug für Edward wäre.
12. KAPITEL
Sophie verbrachte die nächsten beiden Tage und Nächte in höchster Unruhe. Als sie Edwards kurzen Brief erhalten hatte, hatte sie zuerst geargwöhnt, dass er kalte Füße bekommen hätte, aber sein Nachsatz, dass sie sich gut benehmen und nicht in Schwierigkeiten bringen sollte, hatte sie beruhigt. Und da Sir Winston offenbar Tante Elisabeth gegenüber geschwiegen hatte, wenn auch ein sehr anzüglicher Blick über Sophie gegangen war, als er an dem Abend zur Whistgesellschaft kam, war sie dankbar für den kleinen Aufschub. Sie hatte nun mehr Zeit, über Lösungen nachzudenken, die diese Verlobung unnötig machten. Wenn sie sich nur vorstellte, dass Lord Edward bei Lady Elisabeth auftauchte und von der Verlobung erzählte, standen ihr die Haare zu Berge. Tante Elisabeth würde sie umbringen, und Augusta ihr dabei helfen, ihren leblosen Körper zu verscharren. Die beiden hatten schließlich von Beginn an keinen Zweifel daran gelassen, welcher Art die Pläne waren, die sie für und mit Edward Harrington hegten.
Anfangs war Sophie das gleichgültig gewesen, aber je besser sie Lord Edward kennengelernt hatte und je näher sie ihm – im wahrsten Sinn des Wortes – gekommen war, desto schrecklicher erschien es ihr, ihn in den Fängen dieser beiden zu wissen.
Allein die
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