Sueße Versuchung
Das war nicht seine Art. Es gab gewisse Regeln und Konventionen, die er niemals gebrochen hätte.
Er wurde erst gewahr, dass er in sein Glas gestarrt hatte, ohne zu trinken, als Sophie ihn ansprach. »Sie bereuen es, nicht wahr?« Sie klang spöttisch.
Edward atmete tief durch und bemühte sich um seine normale Stimme, als er sich nach ihr umwandte. »Ich bin nur überrascht.«
»Und? Wollen Sie mich immer noch heiraten? Tante Elisabeth spricht die Wahrheit.
Vater wird wütend sein. Und McGregor ebenfalls. Vielleicht sollten Sie doch eher eine Ehe mit Augusta in Erwähnung ziehen?«
Edward nahm einen langen Schluck. Der Portwein floss in seine Kehle. Er antwortete Sophie nicht, sah sie nur an und konzentrierte sich darauf, den Weg des Alkohols durch seine Speiseröhre zu verfolgen. Was immer geschehen war, es änderte nicht seine Meinung über Sophie und die Heirat. Er würde die Wahrheit schon noch herausfinden. Aber nicht jetzt.
»Es bleibt dabei. Wir heiraten in fünf Tagen.« Er stellte das Glas fort. »Und jetzt darf ich dich zur Besiegelung unseres Bündnisses um einen Verlobungskuss bitten.«
»Verlobungskuss?!«
»Ja, natürlich.«
Sophie sah Lord Edward an, der mit mokant hochgezogenen Augenbrauen dastand.
Verlobungskuss. Auch das noch. Wie sollte sie jetzt nur freundliche Gleichmut heucheln können? Sie atmete schneller. Ob es genügte, ihn auf die Wange zu küssen?
Wahrscheinlich. Ihr Blick glitt von Lord Edwards Augen zu seinen Lippen. Sie konnte kaum mehr wegsehen. Wie oft waren in den letzten Tagen ihre Gedanken immer wie von selbst zu ihm gewandert. Die Art, wie fest sein Arm um sie gelegen, und wie gut es sich angefühlt hatte. Wie sicher. Wie erregend, als er sie im Wald festgehalten und geküsst hatte. Der versprochene Kuss als Preis für seine Hilfe beim Ball. Patrick hatte sie einmal geküsst. Sie war damals fünfzehn gewesen. Fast musste sie lächeln.
Sie hob die Hände, als er nach ihr griff. »Moment! Henrys Schuldscheine, mein guter Ruf und Marian Manor. Sie sorgen dafür, dass die Schmuggler verschwinden.«
Edwards Augen wurden schmal. »Soll ich sie einzeln raustragen?«
»Sie haben bestimmt bessere Beziehungen zu den einschlägigen Behörden als ich.«
Sophie sah ihn herausfordernd an. Sie war stolz, dass ihr dies eingefallen war. Vor allem, dass ihr dies jetzt, angesichts des bevorstehenden Kusses, in den Sinn gekommen war. Ein wenig schien ihr Verstand doch noch zu arbeiten.
»Einverstanden.« Edwards Hände griffen nach ihr, legten sich um ihr glühendes Gesicht. Er beugte sich herab. Sie fühlte seinen Atem. In ihren Ohren begann es zu summen. Sie nahm seinen Geruch wahr. Nach Rasierseife, nach … ihm. Ein Geruch, den sie schon mehrmals wahrgenommen hatte und niemals mehr vergessen würde. Ihr wurde warm … jetzt war sein Mund dicht vor ihr. Er hatte sich zweifellos am Morgen rasiert, aber es lag schon wieder ein bläulicher Schimmer auf den Wangen und am Kinn. Sie mochte sein Kinn, stellte sie fest.
Und dann berührten sie auch schon seine Lippen. Er roch auch nach dem Portwein.
Sie schloss die Augen, wollte zurückweichen, was jedoch nicht ging, weil er ihren Kopf hielt, aber dann dachte sie gar nicht mehr daran, sich loszureißen. Sie dachte gar nichts mehr. Es war, als gäbe es nichts außer ihrem
Verlobten
und ihr. Die Welt stand still, während seine Lippen sich auf ihre legten.
Als er sie losließ, musste sie sich an der hinter ihr stehenden Kommode aufstützen.
Ihre Blicke trafen sich. Seiner war heiß und intensiv, ihrer verträumt. Sie starrte ihn immer noch wie abwesend an, als er schon längst an der Tür war.
»Ich schicke dir morgen meinen Sekretär, Sophie. Alles Weitere kannst du mit ihm besprechen.« Damit war er schon aus dem Raum. Von draußen hörte sie ihn noch sagen: »Ihr Diener, Lady Elisabeth.« Und weg war er.
Ihre Tante trat herein und maß sie mit einem flammenden Blick. Sophie beachtete sie nicht. Sie wankte zu einem Stuhl, ließ sich darauf fallen und betastete ihre Lippen mit den Fingern, fuhr mit der Zunge darüber, um seinen Geschmack aufzunehmen. Ja, genauso schmeckte es und fühlte es sich an, von Edward Harrington geküsst zu werden. Kein Vergleich mit dem Geknutsche von Patrick. Gar kein Vergleich mit irgendetwas anderem. Edward Harrington zu küssen war ein Erlebnis ganz besonderer Natur.
13. KAPITEL
»Nicht nötig, mich anzumelden.«
Jonathan Hendricks sah erstaunt auf, als der Besucher Baxter zur Seite schob und ins
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