Süße Worte, heißes Flüstern
ein guter Mann. Wäre er das nicht, hätte ich nicht herkommen können. Und jetzt musst du mir in allen Einzelheiten erzählen, was eigentlich los war. Was ich bisher gehört habe, stammt alles nur aus der städtischen Gerüchteküche.”
Lori hatte zwar ein loses Mundwerk, aber für Hannah war sie unersetzlich. In der schweren Zeit nach ihrer Scheidung vor drei Jahren und danach war sie immer für sie da gewesen. Ohne ihre Unterstützung hätte sie nicht gewusst, wie sie das alles hätte überstehen sollen.
“Ich erzähl es dir ein anderes Mal, Lori.” Hannah schüttelte den Kopf. Tränen schossen ihr in die Augen. “Das war ein langer, harter Tag, das kann ich dir sagen.”
Lori sah sie an und wurde ernst.
“Ich bin immer noch wie benommen”, fuhr Hannah fort. “Ich hab so eine verdammte Angst ausgestanden.” Jetzt merkte sie, dass ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Das war das Letzte, was sie wollte, hier vor all den Leuten losheulen.
Lori legte ihr den Arm um die Schulter. “Ist schon gut, wir verschieben das auf später. Dann machen wir es uns mit einer schönen Flasche Wein und einer großen Box mit Kleenex-Tüchern gemütlich.”
Hannah wischte sich die Tränen ab. Sie war wirklich mit den Nerven herunter. Aber sie hatte es immer wieder vor Augen, wie Maddie hilflos in der Luft hing. Und der Gedanke war einfach schrecklich, was hätte passieren können, wäre nicht wie aus dem Nichts Seth aufgetaucht. Sie sah zu ihm hinüber. Und erneut blieb ihr fast das Herz stehen – aus dem einzigen Grund, dass ihre Blicke sich trafen. Es war wie vorhin, als die Zeit stillzustehen schien. Ihr Herz schlug so laut, dass sie glaubte, es würde das ganze Stimmengewirr übertönen. Wie gebannt stand sie da und war dem Blick aus Seths dunklen Augen hilflos ausgeliefert.
Noch nie war es ihr passiert, dass ein Mann sie derart in Verwirrung stürzte. Das war nicht einfach damit zu erklären, dass sie von den Ereignissen der letzten Stunden noch so aufgewühlt war. Da war noch etwas anderes. Und dieses ‘Andere’ machte ihr Angst. Sie wehrte sich gegen die Anziehung, die dieser Mann auf sie ausübte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt konnte sie keine Verwicklungen mit einem Mann brauchen. Sie hatte andere Pläne.
Seth sah sie weiter unverwandt an, und auch Hannah gelang es nicht, den Blick von ihm zu lösen. Er war ein sehr gut aussehender Mann. Ein wenig kantig, aber gerade das machte ihn attraktiv. Der dunkle Schatten seines Dreitagebarts, seine pechschwarze Mähne, die breiten Schultern, die langen Beine in den verwaschenen Jeans. Das saubere T-Shirt, das er jetzt anhatte, war ebenfalls schwarz. Die Farbe stand ihm sehr gut und unterstrich noch dieses Flair von Geheimnisvollem, das von ihm ausging.
Alles an diesem Mann strahlte Sex-Appeal aus und brachte sie auf Gedanken, die ihr längst fremd geworden waren: Küsse im Halbdunkel, geflüsterte Koseworte, erhitzte Körper, zerwühlte Laken.
Als habe Seth ihre Gedanken erraten, wurde sein Blick plötzlich noch intensiver. Was war ihr bloß eingefallen, ihm anzubieten, hier zu bleiben? Morgen, wenn die Kinder in der Schule waren, würde sie mit ihm allein im Haus sein. Hannah, die selten Alkohol trank, dachte, dass sie jetzt gut ein Glas von dem Wein, den Lori vorhin erwähnt hatte, gebrauchen könne.
“Hannah, Liebste”, hörte sie Loris gedämpfte Stimme neben sich, “was ist los mit dir? Du bist ja völlig weggetreten.”
Hannah fuhr zusammen und riss den Blick von Seth los. “Wie? Ich weiß nicht, wovon du sprichst.”
“Davon, dass du gerade dabei warst, unseren geheimnisvollen Fremden mit den Augen auszuziehen.”
“Also wirklich, Lori Simpson”, antwortete Hannah mit gespielter Empörung, “du kannst doch immer nur an das Eine denken.”
In diesem Moment hatten Maddie und Missy Lori erspäht und kamen auf sie zugeschossen, begeistert, jemanden gefunden zu haben, dem sie ihr Abenteuer noch nicht erzählt hatten. Hannah nutzte die Gelegenheit und stahl sich in die Küche davon.
Glücklich, einen Augenblick für sich allein zu haben, setzte sie frischen Kaffee auf. Sie brauchte dringend etwas Abstand – von dem Trubel im Haus und von Seth. Ich pack das schon, sagte sie sich, während sie die Löffel Kaffee abzählte.
Morgen würde sich alles wieder beruhigt haben und ganz anders aussehen. Sie hatte genug um die Ohren. Auf dem Weg, wenn sie die Mädchen zur Schule brachte, mussten die bestellten Muffins abgeliefert werden. Danach wartete ihr
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