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Suesser Als Blut

Suesser Als Blut

Titel: Suesser Als Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
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Spielzimmers eingeschlafen, den Kopf auf meine Bauklötze gebettet, deren Kanten sich in meine Wange drückten. Eine Hand berührte mich an der Schulter, eine vertraute, geliebte, nach Gardenien duftende Hand. Ich presste mein Lieblingskuscheltier an mich, einen grauen Frotteeelefanten, und versuchte, mich tiefer ins Traumland zu kuscheln.

    »Genevieve, moi angelotschek .« Ich wurde hochgehoben, und meine Stiefmutter setzte mich auf ihre Hüfte. »Wach auf.«
    Ich träumte von einer Zeit, als meine Welt noch einfacher gewesen war. Ich wusste natürlich, dass diese Zeit längst vergangen war, dennoch barg ich mein Gesicht an Mathildes duftendem Hals und grub meine Finger in ihr langes, goldenes Haar.
    »Warum liegst du auf dem Boden wie ein Bauernkind, moi malisch ?« Sie tätschelte meinen Rücken. »Ist das Bett, das dein Vater dir gab, nicht gut genug für dich?«
    Ich schob meinen Daumen in den Mund und nuschelte: »Bin müde.«
    »Zu lange gespielt, hm?« Sie hievte mich höher. »Aber jetzt haben wir eine Überraschung für dich, dein Vater und ich.«
    »Mag Überraschungen«, murmelte ich.
    »Aber zuerst müssen wir dich schön machen.« Sie zupfte an meiner braunen Kord-Latzhose. »Kleine Mädchen sollten hübsche Kleider und Schleifen im Haar tragen.«
    Ich nahm den Daumen aus dem Mund und schaute schläfrig in ihre großen blauen Augen. »Bessie sagt, da mach ich mich dreckig.«
    »Dreckig.« Mathilde wiederholte das Wort missbilligend. »Nun, den ›Dreck‹ werden wir abwaschen.«
    Ich streichelte ihre Wange. »Erst Überraschung, Tildy?«, schmeichelte ich.
    Sie lachte laut auf und zeigte mir ihre blitzenden weißen Fangzähne. Ihre Augen funkelten wie Saphire. »Nein, nein, moi malisch , zuerst wird gewaschen. Spare dir deinen Charme für deinen Vater auf« – sie gab mir einen Kuss auf die Lippen – »mich legst du damit nicht mehr herein.«
    »Will nich waschen.« Ich zog eine Schnute.
    »Ich will mich nicht waschen«, korrigierte mich Mathilde, jedes Wort sorgfältig betonend.
    Ich streichelte ihren Hals, rieb mit dem Daumen über den
geschwollenen Biss, den sie dort hatte. »Ich will mich nicht waschen, Tildy.«
    »Schon besser.« Sie trug mich lächelnd aus dem Spielzimmer.
     
    An Mathildas Hand hüpfte ich fröhlich den breiten, hallenden Korridor entlang zum Studierzimmer meines Vaters. Bei jedem Sprung konnte ich meine neuen schwarzen Lackschuhe mit den grünen Schleifen sehen, darüber den wippenden Rock meines neuen grünen Kleids. Ich wiegte meinen Kopf im Takt zum Hüpfen: Tap, Schleifer, Tap .
    Wir erreichten die wuchtige Doppeltür aus Eichenholz. Hunderte von Kerzen in Wandhaltern erhellten den Gang wie tanzende Glühwürmchen.
    Mathilde ging vor mir in die Hocke, vorsichtig auf ihren hohen Absätzen balancierend. Sie strich die grüne Schleife glatt, mit der mein Haar zurückgebunden worden war. »Dein Haar ist so schön, moi angelotschek , wie frisches Blut, das über die Goldkuppeln der Türme meiner geliebten Heimat fließt.«
    Ich lehnte mich an sie und gab ihr einen Kuss auf die blasse, gepuderte Wange. »Im Kreml, Tildy?«
    Sie lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. »Ja, wie in meinem schönen, schönen Moskwa.« Tränen färbten ihre Augen rosa. »Eines Tages werden wir dorthin fahren, du und ich, und ich werde dir alles zeigen. Den Terampalast, die Auferstehungskathedrale …«
    »Iwan, die große Glocke«, kicherte ich.
    Sie rieb ihre Nase an der meinen. » Da, da, moi malisch .« Sie wurde wieder ernst. Beinahe feierlich berührte sie meine Augen, meine Ohren, meinen Mund und mein Herz. »Dein Vater hat einen Gast, Genevieve. Du musst dich wie eine junge Dame benehmen. Vergiss nicht, was ich dir beigebracht habe.«
    Ich berührte die schwarze Opalkette, die ihren Hals umschloss. »Und die Überraschung?«

    Ihre Finger an meinem Kleid zuckten, sie wischte einen unsichtbaren Staubfussel von meinen Schuhen. »Die Überraschung kriegst du später, Liebling.«
     
    Ich war in der unendlichen Weite eines grauen Steinbodens gestrandet, beleuchtet von einem Kaminfeuer, das ich nicht sehen konnte. Mein Vater, groß, blond und aristokratisch, hatte seinen besonderen schwarzen Anzug an, den mit den blauen Biesen, die zu Mathildes saphirblauen Augen passten.
    Sein Gast, ein Fremder, stand ihm gegenüber. Der Feuerschein schien ihn zu scheuen, als wolle er den Schatten, in die er sich gehüllt hatte, nicht zu nahe kommen. Ich starrte ihn neugierig an, konnte sein Gesicht aber

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