Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Suesser Als Blut

Suesser Als Blut

Titel: Suesser Als Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
Vom Netzwerk:
über ihn – außer dass er im Moment alles andere als ruhig war. Tatsächlich war der Anflug von Gereiztheit in seiner Stimme, als er die ersten Worte zu mir sprach, bloß der Gipfel eines gewaltigen Eisbergs.
    Etwas, ein Gefühl, das näher anzuschauen ich geflissentlich vermied, veranlasste mich zu sagen: »Bloß so aus Neugier« – er hielt inne, die Hand auf der Türklinke -, »willst du gar nicht wissen, was passiert ist?«
    Den Blick fest auf die Tür gerichtet, entgegnete er: »Willst du’s mir denn sagen?«
    Wollte ich? Ich war mir nicht sicher. Aber wenn ich erst mal anfing, würde ich eine Lawine ins Rollen bringen, einen Dominoeffekt, und was am Ende lag, konnte ich ihm unmöglich anvertrauen.
    »Dein Schweigen verrät mir, dass die Antwort Nein lautet« – ich hörte, wie er die Klinke runterdrückte -, »und ich habe keine
Lust, darauf zu warten, bis du dir irgendwelche Geschichten ausgedacht hast.«
    »Ich bin eine Fae, Finn«, fauchte ich. »Fae können nicht lügen, das weißt du genau.«
    »Nicht lügen können und die Wahrheit sagen, das sind zwei verschiedene Dinge, stimmt’s nicht, Gen?«
    Stimmt.
    Er machte die Tür auf. »Also bis später.« Aber er ging nicht. Er blieb auf der Schwelle stehen, dann machte er abrupt kehrt und kam zu mir ans Bett.
    »Hast wohl deine Meinung geändert?«, fragte ich ätzend. »Willst du dir meine Geschichten jetzt doch anhören?«
    Seine Züge glätteten sich, und er schaute mich mit einem ehrlich besorgten Ausdruck an. Dann streichelte er meine Wange. »Du hast im Schlaf geweint, Gen.« Er sagte es beinahe wie eine Frage.
    Die Traumschatten krochen näher, und ich senkte den Blick, versteckte mein Gesicht vor ihm.
    »Beim Zeus, Gen …« Er seufzte ungehalten. »Du weißt ja, wo du mich findest«, sagte er. »Falls du was brauchst.«
    Ich hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, und stützte mein Kinn auf die Knie. Meine Traurigkeit verschwand so schnell, wie sie aufgetaucht war. Stattdessen verspürte ich eine Verwirrung und Losgelöstheit, die mir fremd war. Stand ich unter einer Art Schock, nach allem, was ich in der vergangenen Nacht erlebt hatte? Aber vielleicht lag’s ja nur an der aufputschenden Wirkung des Vampirgifts, dass ich mir über nichts lange Sorgen machen konnte. Stirnrunzelnd schaute ich das Bild an, das über meinem Bett hing.
    Es war eine Flusslandschaft, die Themse am frühen Morgen. Nebelschwaden lagen über dem Wasser, und eine bleiche Wintersonne versuchte den Dunst zu durchdringen. Sehr melancholisch, düster und grau. Das Bild erinnerte an Turner, war aber von einem Künstler namens Tavish gemalt worden –
einem dreihundert Jahre alten Kelpie, der Turner mindestens siebzig Jahre voraushatte. Das Aquarell war ein Geschenk von ihm. Tavish war das einzige magische Wesen, mit dem ich näheren Kontakt gehabt hatte, doch selbst der war – Hughs Rat getreu – ziemlich lose gewesen. Doch trotz dieser »Vorsichtsmaßnahmen« war ich mehr als enttäuscht gewesen, als Tavish mir eröffnete, dass er künftig in den Schönen Landen wandeln wolle. Und gegangen war.
    Aber es waren nicht nur Hughs wohlmeinende Ratschläge, die mich davon abhielten, engere Freundschaften zu schließen, es lag auch an mir selbst, an meiner Abstammung, meiner Identität. Meine Mutter war zwar eine Sidhe gewesen, aber mein Vater ist – oder war – ein Vampir, eine Tatsache, an die mich der Traum nur zu deutlich erinnert hatte. Meine latenten Vampirgene waren daher auch einer der Gründe, warum es mich eigentlich nie sonderlich überrascht hatte, dass der Vampirzauber so gut bei mir funktionierte, aber jetzt …
    Hatte Malik Recht, besaß ich wirklich einen gestohlenen Vampirkörper? Rosas? War das der Grund, warum ich Finn zum Anbeißen fand? Vielleicht versuchte Rosa, mein Alter Ego – oder besser »Alter Vamp« – das Ruder zu übernehmen? Mir brach der Schweiß aus, und ich verschloss den Gedanken hastig in der Kiste, die ich für diese Gelegenheiten in einer verstaubten Ecke meiner Erinnerungen bereithielt.
    Ich schaute auf die Bettdecke, die ich unbewusst mit den Fingern geknetet hatte. Maliks Armband aus Blutergüssen war immer noch deutlich an meinem linken Handgelenk sichtbar. Es hätte eigentlich zusammen mit allen anderen Wunden und Wehwehchen verschwinden müssen, als sich der Zauber bei Tagesanbruch umkehrte. Ich tastete erschrocken meinen Hals ab – wenn die Blutergüsse noch da waren, was war mit dem Biss? War er noch zu sehen? Ich sprang aus

Weitere Kostenlose Bücher