Suesser Als Blut
zusammengebissenen Zähnen schälte ich den Deckel ab.
Die Gardenienseife lag noch genauso in ihrem Bett aus Papiertüchern, wie ich sie hineingetan hatte, eingewickelt in das Originalwachspapier. Daneben ruhte, ebenfalls auf einem Bett aus Papiertüchern, eine blauweiße Haarlocke.
Ich berührte nichts, beugte mich nur darüber und atmete den zarten Duft der Seife ein.
Ich schloss die Augen und sah Tildy vor mir, ganz wie in meinem Traum: lange blonde Locken, einen besorgten Ausdruck in ihren herrlichen blauen Augen, um den Hals die Opalkette, die eine Bisswunde verbarg.
Ich war des Grafen Töchterlein gewesen, eine kleine russische Prinzessin. Und wie alle Prinzessinnen hatte ich nur von meinem Prinzen geträumt, auf sein Kommen gewartet, ganz wie im Märchen. Und als er dann schließlich kam, zwei Wochen vor der Zeremonie, war ich die glücklichste Prinzessin auf der Welt gewesen, denn mein Prinz sah jung aus, war schön und mächtig. Und an meinem vierzehnten Geburtstag würde ich den Blutbund mit ihm eingehen. Mein Blut, mein Leben, meine Magie – ich – würden dann ihm gehören. Und ich würde seine Märchenkönigin sein. Glücklich bis ans Ende unserer Tage.
Die Seine zu werden war alles gewesen, was ich mir wünschte,
alles, worauf ich mich jahrelang vorbereitet hatte. Ich hatte zu diesem Zweck sogar meine eigene Zofe bekommen, Sally, eine hübsche Cailleac Bhuer , mit blassblauer Haut und blauweißen Haaren. Sally – ein Faeling – war nicht magisch genug für die Fae-Gemeinde und zu »anders« für die Menschen. Aber die Vampire waren scharf auf sie, wenn schon sonst niemand.
Tildy hatte mir Sally zum zwölften Geburtstag geschenkt. Man erwartete von uns, dass wir dicke Freundinnen werden würden, zwei Mädchen, die zusammen aufwachsen. Aber Sally war drei Jahre älter als ich und nicht an einer Freundschaft mit mir interessiert, außer wenn sie jemanden brauchte, vor dem sie mit ihren neuesten Eroberungen prahlen konnte.
Dann tauchte mein Prinz auf, und Sally glaubte, auf den Jackpot aller Jackpots gestoßen zu sein. Aber als meinem Prinzen zu Ohren kam, dass Sally mir ihre Schäferstündchen mit ihm in allen blutigen Details erzählte, kam es, wie es kommen musste.
Mein Prinz folterte sie fünf Tage lang.
Und zwang mich, dabei zuzusehen.
Dann erst ließ er sie sterben.
Und ich sah meine Zukunft in seinen Augen.
Er hatte Sally gefoltert, weil er es konnte und weil es ihm Vergnügen bereitete. Aber selbst mit ihrem stärkeren Mischlingsblut hatte sie nicht lange überleben können. Aber Sally war nur die Vorspeise gewesen; ich würde sein eigentliches Festmahl werden, der Hauptgang, der nie ausging, denn mein Sidhe -Blut verhinderte, dass ich schwand, wie sehr ich mir den Tod auch wünschte – nachdem ich freiwillig den Blutbund mit ihm eingegangen war.
Ein scharfer Schmerz riss mich aus meiner Versunkenheit, und ich schlug die Augen auf. Ich hatte das Glas zerbrochen, und meine Hand blutete heftig. Ich rannte zum Spülbecken, wo ich kaltes Wasser über den Schnitt in meiner Handfläche laufen ließ. Ich sah zu, wie er sich langsam schloss und verkrustete.
Er würde am Ende des Tages vollkommen verheilt sein. Dann verschloss ich behutsam die Plastikbox und stellte sie wieder in den Kühlschrank.
Meine Haut war ganz klebrig vor Schweiß und vom Zucker der explodierten Lakritzspiralen. Ich ging ins Bad. Als ich unter der Dusche stand, musste ich an Verträge denken, an Mord und an Vampire und daran, was ich als Nächstes tun sollte. Aber die Büchse der Pandora war nun offen, und im Gegensatz zu der Plastikbox in meinem Kühlschrank ließ sie sich nicht so leicht wieder schließen.
Verriet mir der Traum die Wahrheit? Oder hatten sich die Erinnerungen an diese lang zurückliegende Zeit im Traum verzerrt, um mir meine größten Ängste wie einen Spiegel vorzuhalten? Hatte meine Flucht das Schicksal von Tildy und meinem Vater besiegelt? Meine Augen brannten, und ich hob mein Gesicht in den Duschstrahl, um die Tränen fortzuspülen. Und die Traumschatten.
20. K apitel
I ch betrat die Büros von Spellcrackers.com etwa um die Mittagszeit. Die Einrichtung war sorgfältig neutral gehalten: elfenbeinfarbene Wände, Möbel aus hellem Holz und Chrom, dazu ein dicker, sandfarbener Teppichboden. Das Interieur sollte beruhigend auf unsere Kundschaft wirken, die oftmals fix und fertig war von den magischen Problemen, wegen denen die Leute zu uns kamen. Gelassenheit und Professionalität war Stellas
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