Süßer die Glocken (German Edition)
puscheligen Kuhfellbezug, murmelte noch »Du brauchst mich gar nicht mehr anzurufen, du Arschloch …«, stellte dann aber fest, dass die Nummer ihrer Mutter auf dem Display aufleuchtete.
»Mami? … Nein, ich bin unterwegs!« Ellas Wagen fuhr eine Schlangenlinie und sie hatte Mühe, ihn auf der Fahrbahn zu halten. »Wohin? Na zu der Hütte! … Nein, Mami, wir haben unsNICHT wieder vertragen, OK? Ich fahre allein … Nein, diesmal ist es endgültig. Er hat eine andere … NEIN, Mom! Ich werde ihm das nicht noch einmal verzeihen! Er fickt irgendeine Schlampe aus seinem Büro … Ja, ich weiß, entschuldige. Also, er SCHLÄFT mit irgend so einer aus dem Büro und er hat mir irgendwas von großer Liebe vorgesäuselt und davon, wie es ihn aus heiterem Himmel … blablabla, du weißt schon.« Sie zog hörbar die Nase hoch und wischte sie sich am Ärmel ihres Wintermantels ab. »Nein, Mami, ich heule NICHT … Nein … Es geht mir gut! Ich fahre jetzt allein zur Hütte und werde mir Weihnachten nicht von Alex vermiesen lassen. Ich habe einfach das ganze Zeug mitgenommen. Kerzen, die Kisten mit dem Christbaumschmuck, sogar Marshmallows für den Kamin. Was? Mom??? Nein, ich … die Verbindung ist so mies hier, ich höre dich kaum noch … Nein, es ist wirklich alles in Ordnung … Nein, das ist lieb und ich schaue auch nach den Feiertagen bestimmt bei euch vorbei, aber ich will jetzt einfach mal ein paar Tage für mich. Versteh mich doch. Ja, gut. Mooom? Ich höre dich nicht mehr … In Ordnung, also gib Papi einen dicken Kuss, ich melde mich bald, ja??«
Sie drückte auf ihr Handy und würgte im gleichen Moment den Motor ab. Es hatte wieder zu schneien begonnen. Sie blinzelte aus dem Fenster. Weit konnte es nicht mehr sein. Das letzte Mal war sie diesen Weg im Sommer gefahren, gemeinsam mit A… mit dem Mann, dessen Namen sie NIE NIE NIE wieder erwähnen würde. Jedenfalls hatte alles ganz anders ausgesehen. Außerdem hatte sie auf dem Beifahrersitz gesessen. Der Mann mit A hatte sie nie fahren lassen. »Mein schusseliges Mäuschen« hatte er immer gelächelt und damit unterstellt, sie wäre nicht in der Lage dazu, ein Fahrzeug zu steuern. Wieder schossen ihr Tränen der Wut in die Augen. Sie ruckelte am Zündschlüssel und trat so lange auf dem Pedal herum, bis der kleine Mini schließlich brummend nachgab und wieder ansprang. Ella schob sich ihre geringelte Strickmütze aus dem Gesicht, seufzte erleichtert und ruckelte die letzten Meter den Hügel hinauf.
Dort war ja die Hütte. Ein inmitten eines hübschen Nirgendwo gelegenes kleines Häuschen mit Reetdach und Gärtchen außen und Kamin und sichtbaren Deckenbalken drinnen. Das reinste Kuschelparadies. So lag es jetzt da, das Kuschelparadies, überzuckert von jeder Menge frisch gefallenem Schnee, und schien nur auf sie zu warten. Ella parkte den Wagen, blieb aber sitzen. War es wirklich so eine gute Idee, trotz der Trennung herzukommen? Der Mann mit A und sie hatten hier sehr schöne gemeinsame Stunden verlebt und wohlmöglich würde sie nichts anderes tun, als es sich extra schwer zu machen, wenn sie dort einsam und verweint auf dem Sofa vor dem Kamin hockte, wo alles sie an ihn erinnerte.
Nein, dachte sie im nächsten Moment. Sie liebte Weihnachten und dieser Ort hier war wie gemacht für Weihnachten. Deshalb hatten sie die Hütte ja reserviert. Der Mann mit A hatte ihren Weihnachtseifer immer mit einem nachsichtigen Schmunzeln zur Kenntnis genommen. Jedenfalls hatte er Nachsicht geheuchelt. Einmal hatte sie ihn dabei erwischt, wie er zu einem Freund am Telefon gesagt hätte, wie scheußlich er den ganzen kitschigen Kram eigentlich fand … Wütend wischte Ella sich noch einmal mit dem Mantelärmel über das Gesicht, dann öffnete sie entschlossen die Wagentür und stieg aus.
Sie war gerade dabei, ihre Taschen und Kisten aus dem Kofferraum zu heben, da sah sie durch das immer dichter werdende Schneegestöber die Umrisse eines anderen Autos. Ein silberner Audi stand vor der Tür. Wer war denn das? Sie blickte sich weiter um. Durch das Küchenfenster sah sie, dass drinnen Licht brannte und aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Merkwürdig. Nun, vielleicht hatten andere Gäste die Hütte bis heute gemietet und waren gerade dabei abzureisen. So musste es sein. So schnell sie konnte, trug Ella ihre Tasche und einen der Kartons zur Haustür, dann klopfte sie. Nichts geschah. Der Schnee rieselte ihr in den Mantelkragen, sie fröstelte und klopfte noch einmal.
Eine Weile
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