Süßer die Glocken (German Edition)
in meinem Sinne. Jedenfalls ist meine Reservierung … ja, gut, die meines Freundes, von mir aus … jedenfalls ist diese Reservierung ja wohl deutlich älter als die des Herrn, der hier quasi in MEINEM Wohnzimmer sitzt. Das ist ein Herr …«, sie sah fragend zu dem Mann hinüber, der ihr mit einem kleinen Lächeln im Gesicht zuhörte.
»Kleinert«, sagte er dann. »Justus Kleinert.«
»… ein Herr Kleinert. Und da ich ja wohl die älteren Rechte … WIE bitte? Nein, sehr richtig. Mein Freund und ich sprechen zurzeit nicht miteinander. Eigentlich NIE mehr, um genau zu sein … Wie meinen Sie das, das ist nicht Ihre Sache?? Hören Sie, ich habe den halben Tag auf der verschneiten Straße zugebracht um hierher … Einigen??? Wie meinen Sie das, einigen? Herr Eggers? HALLO??«
Ella starrte wütend ihr Handy an. »Der Kerl hat einfach aufgelegt! Unglaublich …«
Erschöpft ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. Dann sah sie zu diesem Justus hinüber. »OK, einigen also. Seien Sie doch einfach ein Gentleman und fahren Sie. Glauben Sie mir, Sie brauchen diese Hütte nicht halb so dringend wie ich.«
»Was macht Sie denn da so sicher?« wollte Justus wissen.
»Naja, mein Freund hat mich drei Tage vor Weihnachten in die Wüste geschickt wegen einer Schnalle aus seinem Büro, mit der er jetzt angeblich die große Liebe gefunden hat. Da fragtman sich doch, was die vier Jahre mit mir waren. Zeitverschwendung!? Aber egal. Jedenfalls habe ich absolut keine Lust auf den Schoß der Familie, in dem mich alle betüddeln, betätscheln und bemitleiden werden und mir sagen werden, dass er eine tolle Frau wie mich sowieso nicht verdient hat. Ich BRAUCHE einfach ein Weihnachten allein, verstehen Sie? Ich möchte mich hier vergraben, heulen und Marshmallows am Kamin rösten. Und ich möchte heute noch damit anfangen und nicht damit aufhören, bis Weihnachten vorbei ist. Also bitte, was haben Sie für ein Argument?«
»Naja, nichts, das auch nur annähernd so dramatisch und anrührend wäre wie das Ihre. Nur eines, das mir sehr wichtig ist: ich muss schreiben.«
»Was?«
»War das ein »Was« wie in »Wie bitte?« oder ein »Was« wie in »Was müssen Sie schreiben?«
»Hä?«
»OK, schon gut«, sagte Justus und amüsierte sich offensichtlich immer mehr. »Justus Kleinert. Sagt Ihnen der Name wirklich nichts?«
»Nein. Sollte er?«
»Nun, ich war im letzten Jahr eigentlich von Januar bis Dezember in der Spiegel-Bestseller-Liste vertreten. Ich bin nicht ganz erfolglos als Schriftsteller. Und mein Verlag wartet auf mein nächstes Buch. Um ehrlich zu sein: es hätte letzte Woche fertig sein müssen, aber ich habe … naja, so etwas wie eine kleine Schreibblockade. Und weil ich Weihnachten ohnehin nichts abgewinnen kann, dachte ich, ich ziehe mich über die Feiertage hierhin zurück und bringe das Buch zu Ende. Sehen Sie, ich stehe ziemlich unter Druck und ich brauche ein wenig Ruhe …«
Ella stand auf. Ihre Wangen waren rot von Schnee, Kälte und aufsteigendem Ärger. Justus war … positiv irritiert, so hätte er selbst es wohl umschrieben. So eine Frau war ihm noch nie begegnet. Sie hatte in den engen Jeans und in dem schmalen, kunterbuntgestreiften Rollkragenpulli umwerfende Kurven. Ihre geröteten Wangen leuchteten mit ihren strahlend blauen Augen um die Wette und ihre blonden Zöpfe waren von der Nässe und dem Tragen dieser ulkigen Strickmütze, die sie dort einfach in den Flur geworfen hatte, ganz zerwühlt. Diese Frau war Chaos. Farbe. Durcheinander. Und sie war sexy, so viel stand fest. Er wusste gar nicht, wohin er zuerst schauen sollte.
Jetzt funkelte sie ihn an und meckerte: »Hören Sie, Mister Spiegel-Bestseller-Liste, Sie haben da draußen einen tollen Wagen stehen mit noch tolleren Schneeketten drauf. Der bringt Sie selbst bei diesem Wetter jederzeit überall hin, möchte ich wetten. Mein klappriger Mini dagegen hat schon auf der Herfahrt fast schlapp gemacht und wie Ihnen vielleicht aufgefallen ist, kann man da draußen inzwischen keine zwei Meter weit sehen! Können Sie nicht einfach Ihre Diva-Allüren einpacken und sich irgendwo ein nettes Hotelzimmer suchen, um Ihr Blockade-Dingens auszukurieren? Kommen Sie, Sie müssen doch sicher nur ein winziges Täschchen mit Zahnbürste und Hemd zum Wechseln wieder zusammenpacken, das sind zwei Handgriffe, und schon sind wir einander los. Ganz einfach.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Justus erstaunt. Selbst wenn diese Frau meckerte, war sie irgendwie …
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