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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Miller
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jagte und angelte, um, nachdem sein Vater mit einer Rothaarigen nach Florida gezogen war, was zu essen auf dem Tisch zu haben.
    Er nahm noch einen Schluck und noch einen, und dann kippte er den Kopf in einem Ruck nach hinten und leerte die Dose in einem Schuck. Er gab sie unserer Mutter und schaltete den Wagen auf Drive.
    Gerade als wir aus der Tankstelle rausfahren wollten, knallte ein gelbes Cabrio auf einen weißen Wagen, direkt drauf. Der Mann im weißen Wagen wurde aus dem Fahrzeug geschleudert. Es war ein Riesenknall, dann Stille.
    »Du lieber Gott«, sagte Elise.
    Meine Mutter bekreuzigte sich.
    Mein Vater fuhr rückwärts auf den Parkplatz zurück, aus dem wir gerade rausgefahren waren, alle stiegen aus. Die Radios der beiden Fahrzeuge spielten denselben Sender. Die Insassen des Cabrios saßen noch drinnen, der Mann aus dem weißen Wagen war wahrscheinlich nicht angeschnallt gewesen. Er lag auf der Straße, Gesicht nach oben, blutüberströmt. Ich wusste, dass er tot war. Ich schaute hinüber zu ein paar Teenager-Mädels, die, ihre Hände über den Mündern, neben der Zapfsäule standen. Und dann nahm eine von ihnen ihre Hand weg und schrie. Und alles geriet in Bewegung. Elise wählte 911. Mein Vater joggte zum Cabrio hin, ein weiterer Mann folgte. Meine Mutter schickte mich rein, um dem abnorm langen Typen Bescheid zu sagen, doch er war bereits informiert, also ging ich wieder raus und stellte mich zu meiner Mutter und Elise und dem Las-Vegas-Mädchen und dem Hund. Wir hatten soeben einen Mann sterben sehen. Wenige Momente zuvor hatte er noch gelebt, hatte sich keine oder kaum Gedanken gemacht – sich gefragt, ob es für einen Drink noch zu früh wäre, oder ob er am Abend vielleicht schwimmen gehen sollte – Dinge, die so absolut folgenlos waren, dass sie sein Leben beleidigten. Er hatte nicht eine Sekunde gehabt, sich vorzubereiten, und nun würde er all seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen.
    Ich malte mir hundert unterschiedliche Situationen aus. Er hatte kürzlich die Frau seiner Träume geheiratet. Er war Drogendealer, Verbrecher, Pfarrer, Vater von mehr Kindern, als er ernähren konnte. Er war depressiv und dachte die ganze Zeit ans Sterben. Wer er auch war, es würden sich auf alle Fälle heldenhafte Worte für ihn finden lassen, wie für alle, die durch die Fahrlässigkeit eines anderen starben. Vielleicht war er nur zu dem Laden gefahren, um sich ein Eis zu holen, eine eigentlich unnötige Fahrt, nur um aus dem Haus zu kommen. Schade, dass ich ihn nie kennenlernen würde. Wenn ich nur ein klein bisschen über ihn herausfand, könnte ich ihm vielleicht eine Lebensgeschichte basteln.
    Mein Vater zog ein Mädchen vom Beifahrersitz des Cabrios und hielt sie in seinen Armen. Meine Mutter nahm mich bei der Hand und begann zu beten, doch ich riss mich los, ließ alle stehen und ignorierte ihr Rufen.
    Das Mädchen, eine Asiatin – Japanerin – mit langem, glänzendem, makellos glattem Haar. Sah aus, als würde sie schlafen. Als ich ein Kind war, hatten wir einen Hund gehabt, der von einem Auto angefahren wurde; meine Mutter legte ihn in sein Bett, eingerollt, als schliefe er. Er wirkte völlig intakt, kein einziger Tropfen Blut war zu sehen, und ich konnte nicht glauben, dass er tot war. Stundenlang saß ich neben ihm und wartete darauf, dass er die Augen öffnete.
    »Ist sie tot?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er.
    »Woher weißt du das?«
    »Sie atmet.«
    »Warum macht sie die Augen nicht auf?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er.
    »Glaubst du, es ist ein Koma?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er wieder.
    Ich wollte aber, dass er es wusste. »Sieht aus, als ob sie schläft«, sagte ich. Wach auf, dachte ich. Wach auf .
    Der andere Mann hatte auf der Fahrerseite eine Frau aus dem Cabrio gezogen. Sie war jung, weiß, und ich überlegte, ob sie die Babysitterin war. Die Frau lebte, sie stöhnte leise, und dann richtete sie sich auf und schrie. Der grässlichste Schrei, den ich je gehört hatte. Und dann fing sie heftig an zu zittern und schrie, und das Ganze ähnelte einer schlechten Fernsehinszenierung.
    Um den Toten kümmerte sich keiner. Ich ging zu ihm und hockte mich hin. Sein blutüberströmtes Gesicht war voller Schnittwunden. Elise und das Las-Vegas-Mädchen folgten mir, sahen zu, wie ich seinen warmen Hals anfasste, hätten sie nicht neben mir gestanden, ich hätte es nie gewagt.
    »Nicht«, sagte Elise. »Was tust du da?«
    »Ich suche den Puls.«
    »Spürst du was?«, fragte das

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